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Mein KUNSTSTÜCK: Ein Mann sieht Brot

Nicola Kuhn entdeckt die Abgründe der „Art Mama“

Eigentlich spielen die Mütter in der Kunst eine eher untergeordnete Rolle, zumindest sind sie in den seltensten Fällen ihr Sujet. Bei Tatsumi Orimoto ist das anders. Der japanische Performance-Künstler und Fotograf integriert seine Erzeugerin seit vielen Jahren in sein Werk, ja hat mit ihrer Hilfe die „Art Mama“ begründet. So weit, so komisch. Denn wer seine Aufnahmen kennt, dem steht nach Lachen nicht mehr der Sinn. Orimotos Mutter leidet schwer unter Alzheimer und Depression, ein Pflegefall rund um die Uhr. Seit ihrer Erkrankung kümmert sich der Sohn um die heute über 80-jährige Dame und kehrte aus New York, wo er einst als Nam June Paiks Assistent seine Karriere begann, nach Kawasaki zurück. Nun tritt sie somnambul in seinen Werken auf, wie nicht von dieser Welt. c/o Berlin zeigt Fotografien, in denen Orimoto Brote vor das Gesicht geschnürt trägt, Hand in Hand mit seiner Mama. „Sie ist krank, und ich bin verrückt“, hat er einmal gesagt. Künstler müssen das sein. Doch wie sich hier zwei Autisten begegnen, das schnürt dem Betrachter das Herz fast ein. Und sagt doch viel über die Entfremdung von alten und kranken Menschen in unserem Alltag.

c/o Berlin im Postfuhramt, bis So 23.9., tgl. 11-20 Uhr

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