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Frauen demonstrieren in Los Angeles während eines #MeToo-Protestmarsches gegen sexuelle Gewalt und Belästigung.

© dpa/AP/Damian Dovarganes

#MeToo: Was an der Hexenjagd auf Männer nicht stimmt

Verallgemeinerungen sind immer auch falsch, aber diesmal bieten sie eine Chance: Männer gelten als potenzielle Grabscher, Frauen als potenzielles Freiwild. Die Geschlechter wären quitt. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

Mit Hexenjagd ist der historischen Herkunft nach die Verfolgung von Frauen gemeint, die man für Hexen hielt. Eine hysterische Reaktion auf schreckliche Ereignisse (Missernten, Epidemien), die man dem Teufel zuschrieb, und weil der sich nicht strafen ließ, griff man auf Menschen zurück, die denunziert wurden und als Teufels Komplizin auf den Scheiterhaufen kamen. So weit zu den Praktiken des Mittelalters, die heute weiträumig als überkommen gelten dürfen. Oder nicht?

Aktuell klagen berühmte Männer wie Liam Neeson (Schauspieler), Woody Allen (Regisseur), Dieter Wedel (ebenso) und auch Frauen wie Catherine Deneuve (Französin) auf diversen Kanälen über eine Hexenjagd – und sie meinen: das Verdächtigen von Männern als die weibliche Selbstbestimmung missachtende Grabscher in der Folge der außer Kontrolle geratenen #MeToo-Debatte um sexuelle Übergriffe. Und die Liste derer, die im Mann den wahren Bedauernswerten der Hashtaghysterie sehen, wird länger.

Aber ist es nicht lustig (und aufschlussreich), dass für die Verfolgung von Männern gar kein eigenes Wort existiert und ihre Fürsprecher sich des Begriffs Hexenjagd bedienen müssen? Und ist es nicht tragisch, dass in diesem neuen Zusammenhang nicht die Verfolgten, sondern die Verfolger(innen) die Hexen sind?

Liam Neeson ist nicht zufrieden mit #MeToo, ihm geht die Debatte zu weit.
Liam Neeson ist nicht zufrieden mit #MeToo, ihm geht die Debatte zu weit.

© dpa

Den Dauerverdacht wegargumentieren? Geht nicht

Die zänkischen, überempfindlichen, alles falsch verstanden habenden und total humorlosen Frauen nämlich, die das ganze #metoo-Theater doch bloß inszenieren, um endlich vor dem zustimmungsgeneigten Weltpublikum ihre ganze Verachtung für die triebgesteuerten Männer zelebrieren zu können?

Mittlerweile herrscht eine andere Sicht auf Geschlechterollen vor und wir können anfangen, uns damit zu beschäftigen, was hinter sexuellem Protzgehabe steckt: nämlich Unsicherheit und die Unfähigkeit auf einvernehmliche Weise intimen Kontakt zu Personen des anderen Geschlechts aufzunehmen.

schreibt NutzerIn ergo-oetken

Dabei könnte man doch auch denken: Tja, Männer, das kommt euch jetzt ungerecht vor, und genau das ist es ehrlich gesagt auch, aber so ist es nun: Ihr seid jetzt einem Dauerverdacht ausgesetzt. Ihr könnt den nicht wegargumentieren, denn für Argumente ist in diesen Verdachtsfragen niemand empfänglich. Ihr könnt euch darüber dauernd beschweren, aber das fällt irgendwann nur auf euch zurück (Pechstein-Syndrom!). Ihr könntet euch auch eingeladen fühlen, genau das zu tun, was euch ohnehin zugeschrieben wird, aber eventuell entfremdet euch das von euch selbst, weil ihr so doch gar nicht seid. Der Rat also lautet: Lebt mit dem Vorurteil, ertragt es.

So könnte am Ende noch ein versöhnlicher Schluss stehen. Alle Männer gelten ungerechtfertigterweise potenziell als Grabscher und alle Frauen als Freiwild. Die Geschlechter wären quitt.

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