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Kultur: Mit Luther für den Führer

Ausstellung: Kirchenbau im Nationalsozialismus

Die Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf hat der Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen, dass es im „Dritten Reich“ nicht nur eine „Bekennende Kirche“ des Widerstandes, sondern auch die den Nazis verbundenen „Deutschen Christen“ gab. Die Kirche – 1995 unter Denkmalschutz gestellt, seit 2004 wegen Bauschäden geschlossen – ist das am besten erhaltene Beispiel des Kirchenbaus zwischen 1933 und 1945. Zum Richtfest im Mai 1934 wurde das Horst-Wessel-Lied gesungen, die prächtige Orgel tat zuvor auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände Dienst. Das Innere zeigt nahezu unverändert ein Bildprogramm, das christliche Motive mit heidnischen verbindet. Nur die Naziembleme sind nach dem Krieg entfernt worden; die allegorischen Gestalten des Krieges oder der Mutterschaft, ganz im Sinne der braunen Ideologie dargestellt, blieben erhalten.

Der in die Diskussion geratene Bau – der Kirchenkreis Tempelhof will sich von ihm trennen – gab Anlass zu einer Untersuchung über die Sakralarchitektur zur Zeit des Nationalsozialismus. Stefanie Endlich, durch zahlreiche Forschungen zu dieser Epoche ausgewiesen, hat gemeinsam mit Monica Geyler-von Bernus und Beate Rossié Erstaunliches zutage gefördert. Rund 900 kirchliche Neubauten entstanden im Deutschen Reich der Nazizeit, weit mehr, als bislang bekannt war. Und viele haben unverändert die Zeiten überdauert. Eine Auswahl von zehn meist protestantischen Kirchen zeigt die von den Autorinnen erarbeitete Ausstellung „Christenkreuz und Hakenkreuz“. Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, deren Dauerausstellung ein gewichtiges Kapitel zur „Kirche im Widerstand“ umfasst, stellte für die 50 Fototafeln die Räume zur Verfügung, während die Finanzierung überwiegend von der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst in München kam. Ein Begleitbuch soll folgen.

Der Kirchenbau konnte nach 1933 nahtlos an konservative Strömungen anknüpfen. Heimatschutzstil, trutzige Neoromanik, ein Hauch von Klassizismus: Für alles finden sich Beispiele, im Norden ebenso wie im Süden Deutschlands. In Hamburg-Wellingsbüttel wurde die Kirche über einem Hügelgrab der Bronzezeit errichtet, in Augsburg-Hochfeld bildete sie den Mittelpunkt einer NS-Mustersiedlung. Die Reformationskirche in Nürnberg-Maxfeld kommt als altdeutsche Trutzburg daher; da sich die Gemeinde jedoch zunehmend von den „Deutschen Christen“ distanzierte, konnte sie ihren Kirchenbau umgekehrt als „feste Burg“ im Sinne Luthers deuten.

Die Sinngehalte liegen nahe beieinander. Luther wurde als Ahnvater „völkischer Gesinnung“ vereinnahmt: mit Luther für den Führer. Das Kriegergedenken der Zeit nach 1918 konnte in „wehrhafter“ Form gestaltet werden, es konnte auch – bei Barlach oder Käthe Kollwitz – das als „unheldisch“ verpönte Leid zum Ausdruck bringen. Die Architektur selbst sagt nichts über die ideologische Zuordnung aus. Wohl aber die Raumgestaltung. Aus den Totentanz-Fresken der Ingolstädter Aussegnungshalle wurde nach 1945 die Dreiergruppe von SA-, SS- und Arbeitsdienst-Mann übertüncht, während die der drei Soldaten erhalten blieb. In der Ausstellung sind 4 von 800 Tontafeln aus Mariendorf zu sehen, die „Arbeiter der Stirn und der Faust“ oder das Emblem der „NS-Volkswohlfahrt“ zeigen. Die Zeiten überdauert hat auch, in der Weihnachtskirche Berlin-Haselhorst, das Hakenkreuz auf einer der Kirchenglocken. Klingt sie anders als die anderen? Bernhard Schulz

Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13/14, bis 12. Juli, Mo–Fr 9–18 Uhr , Do bis 20 Uhr, Sa/So 10–18 Uhr. Begleitbuch in Vorbereitung.

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