zum Hauptinhalt
Eliza Douglas, "Milk", 2024. Foto: Contemporary Fine Arts.

© Contemporary Fine Arts

Verschleifen: Hyperreales von Eliza Douglas

In ihrer ersten Ausstellung mit der US-amerikanischen Künstlerin zeigt die Berliner Galerie Contemporary Fine Arts Bilder der Malerin, die diese nicht gemalt hat.

Von Jens Müller

„Lieber Maler, male mir …“, das ist nun auch schon mehr als 40 Jahre her. Dass der gelernte Künstler und geborene Schlawiner Martin Kippenberger um die Aufmerksamkeit der Kunstwelt buhlte, indem er seine Bilder nicht selbst malte und noch nicht einmal in seinem Atelier unter seiner Aufsicht von eifrigen Assistenten verfertigen ließ, sondern sie einfach komplett bei aushäusigen Auftragsmalern, genau: in Auftrag gab.

Outsourcing würde man heute dazu sagen. Und eigentlich auch: Konzeptkunst eben, alter Hut – hätte nicht im vergangenen Jahr ein in München ansässiges Gericht damit verblüfft, dem in Berlin wohnhaften Auftragnehmer in Sachen von Kippenbergers „Paris Bar“-Bildern – das heißt: in Sachen der bis zu diesem Zeitpunkt dem Kippenberger allein zugeschriebenen „Paris Bar“-Bilder – ein Miturheberrecht an diesen zuzuerkennen. Nun ja. Oder auch: François Pinault hat sich bislang jedenfalls nicht veranlasst gesehen, die Beschriftung neben der in seinem Pariser Privatmuseum hängenden „Paris Bar“-Version um den Namen des klagenden Plakatmalers zu ergänzen.

Die Bilder wurden in China gemalt

Sehr lange Vorrede, ganz kurzer Sinn: Die 1984 in New York geborene, an der Frankfurter Städelschule ausgebildete Künstlerin Eliza Douglas rennt eigentlich sperrangelweit offene Türen ein, wenn sie 2024 von ihr konzipierte Bilder von chinesischen Reproduktionsmalern malen lässt. Bilder, wie sie aktuell in ihrer ersten Ausstellung in der Berliner Galerie Contemporary Fine Arts zu sehen sind. Bilder, die also eine lange Reise von China über New York nach Berlin hinter sich haben – der ökologische Fußabdruck im Kunstbetrieb ist ein Thema für sich.

Bilder mit Motiven wie einer Katze, einer Kuh, einem Cowboy mit Pferd, einem Jesus mit Heiligenschein und immer wieder mit aufgerissenen Mündern lachenden Kindern und Jugendlichen im Close-up. Nur einer der jungen Menschen schaut ziemlich bedröppelt. Die Schau heißt „Gift“, was bekanntlich im Englischen etwas anderes bedeutet als im Deutschen. Auf das Spiel mit dieser Doppelbedeutung sind allerdings die Betreiber der Neuköllner Bar selben Namens auch schon Jahre vorher gekommen. Das Katzenmotiv lässt an Martin Eder denken, der eigenschaftslose Hyperrealismus der chinesischen Reproduktionsmaler an …

Eine Schleife von Balenciaga

„Painting of a laughing boy in the hyperrealistic style of Gottfried Helnwein“, könnte ein Befehl an die Künstliche Intelligenz gelautet haben, mit deren Hilfe Eliza Douglas zu ihren Motiven gefunden hat. Schon klar: Die Künstlerin „hinterfragt“ hier die Möglichkeiten analoger Bildproduktion unter den Bedingungen des Computerzeitalters. Es kann (dem hyperreferentiellen Anspruch der Schau) auch nicht schaden, dem Pressematerial Susan Sontags berühmtesten Essay „Notes on ‘Camp’“ beizulegen.

Der Berliner Schinkel Pavillon hat Eliza Douglas bereits 2017 ausgestellt, aber „Gift“ ist ihre erste Einzelausstellung in einer hiesigen Galerie. Das mag etwas überraschen, wurde ihr Name doch regelmäßig in einem Atemzug mit dem der maximal gehypten Anne Imhof genannt, zu deren Performance-Personal Douglas nicht nur gehörte, sondern mit der sie auch privat verbandelt war.

Apropos verbandelt: Das Neue, das Besondere, das Einzigartige an den ansonsten auf offenkundige Beliebigkeit mit nicht nur leichter Tendenz in Richtung Kitsch hin angelegten Bildern ist, dass sie alle mit einem ziemlich breiten und langen Geschenkband umwickelt sind, die Schleife meistens genau in der Bildmitte. Im Falle der Kuh, „Never Enough“, wurde es von der Luxusmarke Balenciaga zugeliefert, für die die Künstlerin gelegentlich als Model unterwegs ist.

Wie gesagt, die Schau heißt „Gift“, Geschenk also, und mit dem Warencharakter und der Kommerzialisierung der Kunst ist es wirklich ein Kreuz, nicht wahr? Die Bilder von Eliza Douglas kosten bei CFA zwischen 24.000 und 36.000 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false