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Russo-Roman "Diese alte Sehnsucht": Mittelgewichtskrisen

Richard Russos Roman „Diese alte Sehnsucht“

Früher oder später wird noch ein jeder von uns von der bitteren Erkenntnis eingeholt: Der eigenen Herkunft entkommt man nie – und wenn es nur physiognomische Ähnlichkeiten sind, die sich im Alter einstellen. Mit diesem Problem schlägt sich auch der Held in Richard Russos Roman „Diese alte Sehnsucht“ herum, nämlich „dass man zwar ein paar Tausend Kilometer zwischen sich und seine Eltern legen und ihnen unmissverständlich vermitteln konnte, wie sehr man ihre Werte ablehnte - aber wie konnte man eine Distanz zwischen sich selbst und sein Erbe schaffen? Man konnte nicht verhindern, dass das Haar schütterer wurde und die Nase mitten im Gesicht saß. Und was, wenn er die Werte seiner Eltern gar nicht so gründlich ablehnte, wie er gedacht hatte?".

Solche Fragen können das Leben eines Mitfünfzigers schwer ins Rutschen bringen, man könnte Mittellebenskrise dazu sagen. Weshalb Russos Held, der Drehbuchautor Jack Griffin, überlegt, vielleicht doch noch einmal alles anders zu machen. Zumindest die Ehe retten und einen Roman schreiben. Wie schwer das ist, wie sehr einem die familiäre Herkunft immer wieder in die Quere kommt, dafür hat Russo ein schönes, den Roman strukturierendes Motiv gefunden: Im ersten Teil ist Griffin an Amerikas Ostküste in der Gegend von Cape Cod unterwegs, zum einen, um erfolglos die Asche seines Vaters zu verstreuen; zum anderen ist er auf der Hochzeit der besten Freundin seiner Tochter eingeladen. Im zweiten Teil führt er dann die Asche seiner Mutter mit sich, als es zur Hochzeit der Tochter geht.

Zwei Hochzeiten, zwei Todesfälle, eine scheiternde Liebe, viele Erinnerungen: Das ist der Stoff von Russos Roman, den man natürlich aus zahllosen anderen amerikanischen Romanen kennt. Mittelgewichtsehen und andere mittelschwere Lebensprobleme im Mittelschichtsamerika der Ostküste: John Updike, wir hören dir trapsen. Russo, der 2002 den Pulitzer-Preis für seinen Roman „Empire Falls“ erhielt, schreibt konventioneller, schlichter, nicht so hintergründig wie Updike. Dafür ist er durchaus unterhaltsam, versteht er es geschickt, auf der Grenze zwischen Komik und Tragik zu balancieren. Einfach nur mittelprächtig ist dieser Roman mitnichten. Gerrit Bartels

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