zum Hauptinhalt

Kultur: Mordlüstern

Carlos Busqueds schmutziger Debütroman

Haschisch, Fast Food, Filme über Riesententakeln und gequälte Zirkuselefanten : Damit verbringt einer der seltsamsten Romanhelden Argentiniens seine Tage. Teilnahmslos vernimmt Cetarti die Nachricht von der Ermordung seiner Mutter und seines Bruders in einer Provinz; beide hat er seit Jahren nicht mehr gesehen. 16 Stunden später und 750 Kilometer weiter sieht sich Cetarti, ein Oblomow unserer Tage, unter der stechenden Sonne von Lapachito mit dem ehemaligen Luftwaffenoffizier Duarte konfrontiert. Der organisiert die Beerdigung mit seinem linkischen Sohn Danielito, während seine Frau den Tatort säubert. Stecken die drei hinter dem Doppelmord, zumal Vater und Sohn sich die Nächte mit lukrativen Entführungen um die Ohren schlagen?

Der 40-jährige Carlos Busqued, der aus der nordargentinischen Provinz Chaco stammt, lässt die atemlosen Leser seines Debütromans mit solchen Verdachtsmomenten allein. Die Grenze zwischen Tätern und Opfern verschwimmt, Anteilnahme für Cetarti will sich kaum einstellen. Er teilt Duartes Passion für grenzwertige Pornografie und hyperrealistische Tier- und Weltkriegsdokumentationen. Nur mit dem Axolotl im Terrarium seines ermordeten Messie-Bruders hat Cetarti Mitleid – und lässt es doch verhungern. Mit nachhaltigen Schockeffekten zeigt Busqued die moralische Verwahrlosung auf, die sein Land seit den Jahren der Diktatur quält. Ob Menschen- oder Hundeleiche, unter der Sonne von Lapachito ist alles eins. Carlos Busqueds Roman, das radikalste aller zur Frankfurter Buchmesse im vergangenen Oktober übersetzten argentinischen Bücher, ignoriert unbekümmert Geschmacksgrenzen. Katrin Hillgruber

Carlos Busqued: Unter dieser furchterregenden Sonne. Roman. Aus dem argentinischen Spanisch von Dagmar Ploetz. Kunstmann, München 2010. 192 Seiten, 17,90 €.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false