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Doppelhaus. Das Museum im Stülerbau (links) und im Kommandantenhaus.

© SMB

Museum Berggruen feiert Jubiläum: Unter einem Dach mit Picasso

Vor 20 Jahren erwarb die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Sammlung von Heinz Berggruen. Für Berlin war es eine Geste der Versöhnung.

Still ist’s dieser Tage in den Museen. Dabei droht ein Jubiläum unterzugehen, das einen besonderen Moment in der jüngeren Berliner Museumsgeschichte markiert. Vor 20 Jahren, am 21. Dezember, erwarb die Stiftung Preußischer Kulturbesitz für 126 Millionen Euro 165 Werke der Sammlung Berggruen, die sich bereits seit vier Jahren im Stülerbau gegenüber vom Schloss Charlottenburg befand.

Für Berlin war es eine Geste der Versöhnung, für den Sammler und Galeristen Heinz Berggruen eine Form der Heimkehr.

Der Sohn eines jüdischen Papierwarenhändlers, der seinen Laden am Olivaer Platz unterhielt, war 1936 mit einem Stipendium der Berkeley University in der Tasche nach Kalifornien aufgebrochen und blieb in den Vereinigten Staaten. Auch seine Eltern konnten gerade noch rechtzeitig die Stadt verlassen.

Nach dem Krieg ließ sich Berggruen als Galerist in Paris nieder, wo er einer der international bedeutendsten Grafik- Händler wurde. Als er 1980 sein Geschäft aufgab, um sich ganz der eigenen Sammlung zu widmen, war mit Picasso, mit dem er sich befreundet hatte, bereits der Grundstein gelegt.

Hinzu kamen weitere Klassiker der Moderne, Matisse, Klee, Cézanne, die noch heute das Fundament seiner exklusiven Sammlung bilden und damit das Museum Berggruen zu einem Schatzhaus ersten Ranges machen.

Der Ankauf bedeutete einen Quantensprung

Als Berggruen seine Bilder 1996 zunächst leihweise nach Berlin gab, behielt er sich vor, erst einmal zu schauen, wie die Stimmung in der Stadt ist, ob sie ihm behagt. Mit dem Ankauf kurz vor Weihnachten 2000 wurde das Bleiben endgültig besiegelt.

Für die Staatlichen Museen bedeutete der Ankauf ein Quantensprung. Die durch den Krieg und die NS-Aktion „Entartete Kunst“ geschlagenen Lücken konnten endlich wieder geschlossen werden. Bedingung aber blieb, dass die Sammlung ihre Geschlossenheit behielt, den persönlichen Charakter.

Gerade dafür aber liebten die Berliner ihren neuen Ehrenbürger Heinz Berggruen, der als weitere Bedingung für die Überlassung im Stülerbau Wohnung beziehen durfte und dort in einer WG mit seinen Bildern lebte, wie er es nannte, wann immer er aus Paris zu Besuch kam.

Es ist stiller um das Museum geworden

Seine Gegenwart im Haus steigerte den Charme des Museums nochmals. So schaute Berggruen immer wieder im Museumsshop vorbei, um mit Besuchern zu plaudern und seine Lebenserinnerungen „Hauptweg und Nebenwege“ zu signieren. Zwischen 1996 und 2006 kamen 1,5 Millionen Besucher. Wenige Wochen nach seinem 93. Geburtstag am 23. Februar 2007 verstarb Heinz Berggruen in Paris, sein Grab aber fand er in Berlin.

Seitdem ist es stiller geworden um das Museum, auch wenn sich die Familie – insbesondere die beiden Söhne, der Kunsthistoriker Olivier und der zeitweilige Karstadt-Besitzer Nicolas – im eigens gegründeten Freundeskreis weiterhin engagieren, um die Versöhnung mit Deutschland fortzusetzen.

Immer wieder hatte der Vater Werke hinzugekauft, für die 2008 mit dem benachbarten Kommandantenhaus ein Erweiterungsbau hinzukam. Das Architekturbüro Kuehn/Malvezzi schlug die Verbindung zwischen beiden Gebäuden mit einer Pergola aus Stahl und Glas. Aus diesem Anlass gab die Familie 70 weitere Bilder.

2021 lockt man mit Picasso

Inzwischen hat sich die jährliche Besucherzahl bei knapp 80 000 eingependelt. Das Museum Berggruen ist ein Haus für Liebhaberinnen und Liebhaber, die nicht das Event suchen, sondern die stille Einkehr mit der Kunst.

Die großen Ereignisse finden eher im Hamburger Bahnhof, auf der Museumsinsel und demnächst im Humboldt Forum statt. Die jährlichen Ausstellungen allerdings ziehen jedes Mal die Aufmerksamkeit auf sich. So wurden die Klassiker der Moderne mit Werken der Zeitgenossen George Condo und Thomas Scheibitz aufgemischt.

Und „Die Biografien der Bilder“ 2018 zeigte die Ergebnisse einer umfassenden Provenienzrecherche an 135 Bildern. Zum Glück gab es Entwarnung; Bei keinem der Werke ließ sich der Verdacht erhärten, dass es NS-bedingt entzogen sein könnte. Angesichts der Lebensgeschichte Heinz Berggruens war die Erleichterung umso größer.

2021 aber dürfte das Museum doch noch mal zum Anziehungspunkt für Besuchermassen werden, wenn ab 26. März die Ausstellung „Pablo Picasso & Les Femmes d’Alger“ gezeigt wird.

Picasso ist heute nicht mehr einfach zu haben

Sie taugt zur Sensation, denn erstmals seit ihrer Entstehung sind wieder alle 15 Gemälde der Serie zusammen zu sehen, die Picasso in Anlehnung an Delacroix’ berühmtes Werk „Die Frauen von Algier“ schuf.

2015 erzielte „Version O“ bei Christie’s in New York mit 160 Millionen Euro einen Weltrekord. Heute ist das Museum Berggruen die einzige öffentliche Sammlung in Europa, in der ein Gemälde dieser Serie zu sehen ist, zu der außerdem Zeichnungen und Lithografien gehören.

Die Besonderheit der „Femmes“ besteht darin, dass Picasso mit ihnen in den 1950er Jahren noch einmal auf den Kubismus zurückgriff und damit sein Alterswerk eröffnete. Zugleich bemüht sich Sammlungskurator Gabriel Montua, die Ausstellung in die Gegenwart fortzusetzen, indem er junge Künstler zeigt, die sich wiederum von Picasso inspirieren ließen, darunter Künstlerinnen aus Algerien.

Denn Picasso ist heute nicht mehr einfach zu haben. Als Genie und Macho gehört er kontextualisiert. Eine Herausforderung, die das Museum Berggruen in seiner gediegenen Atmosphäre dann doch angenehm stört.

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