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Das Zirpen der Gitarre, der Sound der Grenze. Ry Cooder reist gern um die Welt. Jetzt fühlt er sich zu Hause bedroht.

© Warner

Musiker und die US-Wahlen: Der Hund auf dem Dach

„Election Special“: Ry Cooder spielt zur Wahl den Obama-Blues in einem Land, das sich eingegraben hat in Hass auf der einen und Trotz auf der anderen Seite.

Falls es jemals einen schönen Wahlkampf gegeben haben sollte – dieser ist deprimierend hässlich. Ein androider Geschäftsmann, der sein Geld im Ausland parkt, und sein hochaggressiver, George Clooneys „Iden des März“-Film entsprungener Juniorpartner und Brutalo-Ökonom. Sie ballern auf einen Präsidenten, der mehr und mehr versteinert wirkt. Der so viele enttäuscht hat und wohl auch viel zu euphorisch begrüßt worden war, nach seinem Sieg. Der im White House ergraut ist und alles falsch gemacht hat, was ein anderer auch nicht besser hinbekommen hätte.

Wie unterstützt man als Künstler einen Friedensnobelpreisträger und Drohnen- König? Der aber auch ein bisschen Gesundheitsreform geschafft hat und die Homo-Ehe befürwortet. Und der – nach dem Massaker von Aurora – wenigstens angefangen hat, darüber zu sprechen, wie sinnvoll Schnellfeuerwaffen für jedermann sind. Yes, das ist noch etwas Hoffnung. Weil die anderen, die Republikaner und Teavangelicals, ein ganz anderes Land wollen. Bringt die US-Präsidentenwahl am 4. November den Rückfall in eine palineske Zukunft?

Ry Cooder, der Mann mit der zirpenden Gitarre, hat ein „Election Special“ aufgenommen (erscheint an diesem Freitag bei Warner). Es ist ein handgemachtes Album, Hausmusik mit Sohn Joachim, der Schlagzeug spielt. Papa zupft die Mandoline, diverse Gitarren und auch den Bass. Wenn man Ry Cooder hört, sieht man Filme. „Paris, Texas“, „Long Riders“, „Last Man Standing“. Seine Musik schmeckt nach Staub und Pferd und Grenze, nach flirrender Hitze, Gefahr aus dem Hinterhalt, Tequila, muffig-heißen Trailern mit tropfenden AC-Units.

Man käme ins Träumen, würde man nur nicht so genau hinhören bei diesen neun neuen Songs. Cooder singt rührende Rollenprosa – von dem armen Familienhund, den Mitt Romney auf den Gepäckträger seines Autos gebunden hat. Eine alte Geschichte, aber das Tier ist nachtragend. So eine Autofahrt auf dem Dach tut nicht gut, und wie einer Tiere behandelt, verrät einiges über seinen Umgang mit Zweibeinern. Richtig fies und schön ist die swingende Country-Nummer „Going to Tampa“: ein zartes Höllengemälde der republikanischen Convention mit all ihren Predigern, Waffenlobbyisten und Rassisten.

Wie einfach könnte alles sein! Nur leider bereitet der Amtsinhaber seinen Anhängern wenig Freude. Cooder presst in „Cold Cold Feeling“ den Obama-Blues heraus. Wieder ein Song mit Ich-Erzähler, diesmal also der Mann, dem sie heute sein „Change“ um die Ohren hauen. Es ist kalt im Präsidentenhaus, „everything is going on wrong.“ Cooder/Obama klingt nicht wie ein strahlender Sieger: „If you never been President then you don’t know how it feels“.

Falls es so etwas überhaupt gibt für Musiker – Ry Cooder ist nun auch schon im Rentenalter, wenn auch noch nicht so alt wie die unglaublichen Kubaner, die er einst für „Buena Vista Social Club“ produzierte. Dafür bekam er einen Grammy. Das „Election Special“ bringt ihm sicher nicht wenige Sympathiepunkte ein. Das Album ist zwar politisch eindeutig, aber nicht platt propagandistisch. Es erinnert Barack Obama mit einem satten Rocksong an die Guantanamo-Schande. „Gefängnisse sind die neue Wachstumsbranche“, sagt Cooder im Beipackzettel, und da erinnert er auch an das wunderschöne alte kubanische Volkslied über ein Mädchen, das man nicht gern mit dem US-Hochsicherheitstrakt in Verbindung bringt, das keinen Ausgang kennt – „Guantanamera“.

Man hört sich in die Platte ein. Aber es drückt die Stimmung, wie bei dem Hund auf dem Dach im eisigen Fahrtwind, mit Romney am Steuer. Es ist die atmosphärische Darstellung eines Landes, das sich nicht mehr für einen brillanten Hoffnungsträger begeistert, sondern sich eingegraben hat. Im Hass auf der einen, im Trotz auf der anderen Seite.

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