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Die britische Komponistin Rebecca Saunders, Jahrgang 1967.

© Doris Spiekermann-Klaas

Musikfest Berlin: Und Molly Bloom sagt Ja

Kompositionen von Harrison Birtwistle und die Uraufführung von Rebecca Saunders' James-Joyce-Adaption „Yes“ auf dem Musikfest Berlin.

Auch in diesem Jahr zeigen die Programme des Musikfests einen ausgefeilten und inspirierenden Beziehungsreichtum. So lassen die im Kammermusiksaal der Philharmonie vorgestellten Werke von Rebecca Saunders und Harrison Birtwistle auf unterschiedliche Weise an den grandiosen Monteverdi-Zyklus unter der Leitung von John Eliot Gardiner denken: Saunders in diesem Konzert uraufgeführte räumliche Performance „Yes“ für Sopran und Ensemble basiert auf dem berühmten Schlussmonolog von James Joyces „Ulysses“, der ebenso auf Homer verweist wie Monteverdis Oper „Il ritorno d’Ulisse in patria“.

Dessen Orfeo kommt in Rilkes dem antiken Sänger gewidmeten Sonetten ins Spiel, die Birtwistle auf unorthodoxe Weise vertont hat. Mit Stücken von John Dowland, die Birtwistle arrangiert hat und in diesem Konzert selbst dirigiert, ist zudem ein britischer Monteverdi-Zeitgenosse präsent. Die seit vielen Jahren in Berlin lebende englische Komponistin Rebecca Saunders hat im Vorfeld der Uraufführung erklärt, sie erwarte von den Zuhörern keine Vorbereitung, sondern lediglich die Bereitschaft, sich auf neue Klangerfahrungen vorbehaltlos einzulassen. Man fragt sich aber doch, warum die Kenntnis der Joyceschen Romanvorlage beim Hören so wenig hilft.

Vom Text ist (außer dem vielfach wiederholten „Yes“) kaum ein Wort zu verstehen. Um die Komik, Laszivität, gelassene Alltagsklugheit und Lebensbejahung der unvergleichlichen Molly Bloom scheint es aber auch in assoziativer Hinsicht kaum zu gehen. Worum dann? Vielleicht am ehesten um einen nächtlichen Zustand zwischen Wachen und Schlafen, in dem sich Sprachgedanken in Geräusche verwandeln. Wenn sich die Sopranistin und die Instrumentalisten auf der Bühne und den Rängen verteilen, entstehen gerade im zweiten Teil eindrucksvolle Raumklangwirkungen. Eine schlüssige Dramaturgie vermittelt sich aber beim ersten Hören des Werks nicht.

Es bleiben Wünsche offen

Nach der Pause des über dreistündigen Konzerts ist zunächst Harrison Birtwistles auch durch das szenische Arrangement bewegende Klagemusik für Michael Vyner, den früh verstorbenen Musikdirektor der London Sinfonietta, zu erleben: Die Mitglieder des Ensembles treten einzeln mit wie improvisiert wirkenden, den Kontrast von engen und weiten Intervallen ausdrucksvoll gestaltenden Passagen in die Mitte, am Ende schreitet die Flötistin die Gemeinde der Trauernden ab.

Das karge Arrangement der folgenden Rilke-Vertonungen für Countertenor, Oboe und Harfe wirkt allerdings, wie der ständige Wechsel mit den Dowland- Werken, auf die Dauer ermüdend. An den ausführenden Musikern liegt es dabei nicht, wenn an diesem Abend letzte Wünsche offenbleiben. Das Ensemble Musikfabrik spielt unter Enno Poppe souverän, virtuos und auch in der Renaissance-Musik stilecht. Und mit der hochkonzentriert und nuanciert gestaltenden Sopranistin Donatienne Michel-Dansac und dem ungemein kraftvoll und rein singenden Countertenor Andrew Watts verfügt das Konzert über zwei großartige Protagonisten.

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