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Ungewohnte Aufmerksamkeit: Ein TV-Kameramann filmt die Staatsoper nach dem Hundekot-Attentat.

© dpa/Julian Stratenschulte

Nach der Hundekot-Attacke: Der Ballettdirektor muss gehen, sein Werk bleibt

Der Vertrag mit Marco Goecke wird im gegenseitigen Einverständnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Seine Stücke werden weiter an der Staatsoper Hannover gezeigt.

Jäher Knick einer bislang glanzvollen Künstlerkarriere: Fünf Tage nach der Hundekot-Attacke des Ballettdirektors Marco Goecke auf eine Journalistin hat sich das Niedersächsische Staatstheater Hannover endgültig von dem Choreografen getrennt.

Der Vertrag werde im gegenseitigen Einverständnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst, sagte Opernintendantin Laura Berman am Donnerstag. Aufgrund seines Fehlverhaltens sei Goecke als Führungskraft nicht mehr tragbar. Seine Stücke sollen jedoch weiter gespielt werden.

„Dieser unüberlegte Übergriff hat gegen zu viele Grundsätze der Staatstheater verstoßen, dem Ruf des Hauses massiv geschadet und hat nicht zuletzt strafrechtliche Konsequenzen“, sagte Berman. Aufgrund der bislang guten Zusammenarbeit mit dem Künstler sei ihr die Trennung nicht leicht gefallen.

Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei jedoch nach Goeckes Tat momentan nicht vorstellbar. Goecke (50) sei angesichts der Entscheidung „am Boden zerstört“, sagte die Intendantin: „Wir sind jetzt im Austausch mit ihm und hoffen, dass wir ihm trotz dieses Bruchs über diese Zeit hinweghelfen können.“

Die Staatsoper hatte ihren Ballettchef wegen des Vorfalls bereits am Montag mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert und ihm ein Hausverbot erteilt. Goecke hatte sich am Samstag im Foyer des Opernhauses der Kunstkritikerin Wiebke Hüster (57) von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in den Weg gestellt und aus Ärger über ihre Rezensionen ihr Gesicht mit Hundekot beschmiert. Die Attacke geschah während einer Pause in der Premiere seines Tanzstückes „Glaube - Liebe - Hoffnung“. Hüster erstattete Anzeige.

Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs (SPD) nannte die Entscheidung unausweichlich und konsequent: „Sie hat schnell Klarheit für alle gebracht“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende des Staatstheaters. Mohrs bezeichnete die Attacke als „widerlich, ekelhaft und inakzeptabel“. Eine Zahlung von Schmerzensgeld an die Journalistin sei bislang allerdings kein Thema. Die Leitung des Tanz-Ensembles übernimmt bis auf Weiteres der stellvertretende Ballettdirektor Christian Blossfeld (42).

Die Intendantin Berman sagte, sie wolle nicht ausschließen, dass die Staatsoper in Zukunft wieder mit dem Choreografen zusammenarbeite. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lasse sich das aber nicht sagen. Die nächsten Vorstellungen der von ihm entworfenen Tanzstücke seien fast ausverkauft, auch wenn einzelne Käufer die Tickets umgetauscht hätten: „Die Neugier ist groß.“ Goecke war erst im Oktober mit dem Deutschen Tanzpreis 2022 ausgezeichnet worden.

Die Staatsoper habe den Choreografen als „mitfühlenden, rücksichtsvollen, humorvollen, gelegentlich sehr verletzlichen Menschen kennen- und schätzen gelernt“, betonte Berman. Seine Verletzlichkeit habe er auch künstlerisch aufgearbeitet. Viele Tänzerinnen und Tänzer seien seinetwegen nach Hannover gekommen. „Das Ensemble ist eine Schöpfung von Marco Goecke.“

Für Künstler werde durch etablierte und andere Medien allerdings ein großer Druck aufgebaut, „der für ein Individuum kaum erträglich ist“, ergänzte sie. Davor müssten Künstler geschützt werden: „Das macht mir Sorgen.“ Es rechtfertige allerdings keine Übergriffe auf Kritiker.

Der Ballettchef hatte sich am Dienstag in einer öffentlichen Erklärung für die Tat bei der Journalistin entschuldigt. Er bat jedoch zugleich um Verständnis für seine Gründe und übte Kritik an der Berichterstattung der Medien. Die Autorin wies seine Stellungnahme als Versuch einer Rechtfertigung zurück. (epd)

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