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Der Nachdenkliche. Albert Speer jr. beim Hochhauspreis 2012.

© dpa/Arne Dedert

Nachruf auf Albert Speer jr.: Städte planen, wie Menschen leben

Er hatte am unrühmlichen Namen seines Vaters zu tragen und verabscheute die Architektur der Macht: zum Tod des Stadtplaners und Architekten Albert Speer jr.

Kürzlich ist der Name Albert Speer wieder einmal groß gedruckt worden, als eine neue Biografie über Hitlers Baumeister erschien. Der Sohn musste damit leben, eben der Sohn zu sein, und er hat zu allem Überfluss auch noch den Beruf des Architekten und Stadtplaners gewählt. Aber er ist das Gegenteil geworden: einer, der die Macht und ihre baulichen Insignien verabscheute und stattdessen Städte für Menschen geplant hat, für die heutigen wie die künftigen.

Nachhaltigkeit war ihm ein selbstverständliches Kriterium, ehe es jeder Politiker zu buchstabieren lernte. Selbst beim Masterplan für die Fußball-WM 2022 im Wüstenstaat Katar, den er mit seinem 170-Mann-Büro Albert Speer & Partner entworfen hat, legte er größten Wert auf die Rückbaubarkeit der für das kleine Land überdimensionierten Stadien, auf die Nachnutzung der Unterkünfte und die Energieeffizienz der Klimaanlagen.

Bevor er Architektur studierte, absolvierte Speer eine Schreinerlehre. Das Abitur holte er nach, dann studierte er in München bei Hans Döllgast, der großen – auch moralischen – Autorität des Wiederaufbaus nach ’45. Die Zurückhaltung, ja Bescheidenheit der damaligen Zeit und Stimmung blieb ihm zeitlebens eigen. Nach kurzer Tätigkeit in einem Frankfurter Architekturbüro machte er sich 1964 selbstständig und spezialisierte sich auf Stadt- und Regionalplanung, wobei er – damals ungewöhnlich – stets auch Fachkräfte anderer Disziplinen heranzog, bis hin zur Soziologie. Erste Großaufträge in Libyen, später in Saudi- Arabien machten ihn im Ausland gefragter als zunächst in der Bundesrepublik.

Speer hat es stets abgelehnt, für Militärdiktaturen zu bauen

Hierzulande wurde er mit der Planung der Expo 2000 Hannover bekannt – auch die war auf Rückbau gerichtet. Den Standort des neuen Münchner Fußballstadions schlug er nach Abwägung der Verkehrsströme vor. Die – von den Wählern abgelehnte – Münchner Bewerbung für die Olympischen Winterspiele hätte mit seinem Masterplan gute Aussichten gehabt.

In China, wo ohnehin immer groß gedacht wird, entwarf er die „Autostadt“ Anting und für das benachbarte Schanghai die Weltausstellung 2010; dazu die weitere, noch weit größere Produktionsstadt Changchun. Ägypten, Nigeria, Kroatien, selbst Russland gaben nachhaltige Tourismuskonzepte bei ihm in Auftrag. Den Verdacht, bevorzugt für undemokratische Staaten zu arbeiten, wies er mit Blick auf den Nutzen seiner Planungen für alle Bewohner zurück, und in Militärdiktaturen zu bauen, hat Speer stets abgelehnt.

In seiner Wahlheimat Frankfurt/M. realisierte er viel, von der Messe bis zum Flughafen

In seiner Wahlheimat Frankfurt am Main, wo er sein Berufsleben begann und stets wohnen blieb, hat er zahllose Pläne erarbeitet. Man kann sich die heutige Erscheinung der Stadt gar nicht ohne die Konzepte seines Büros denken, vom Messegelände bis zum Flughafen. Immer und immer wieder hat Speer sich gegen Architektur um der Architektur willen ausgesprochen, gegen jene signature buildings, die nur vom Ruhm ihres Entwerfers künden. Er nannte sie „weiße Elefanten“ und fügte beschwörend hinzu: „Das Schlimmste, was uns passieren könnte, ist, mit so einem Elefanten in Verbindung gebracht zu werden.“ Stolz war er darauf, mit der „Diplomatenstadt“ in der saudischen Hauptstadt Riad bereits in den siebziger Jahren erstmals Wasserbewirtschaftung eingeführt zu haben, „die es damals in der arabischen Welt noch nirgends gab“. Heute sind die Speer’schen Standards Gemeingut – überall.

Geboren wurde Speer in Berlin, als ältestes von sechs Kindern, und aufgewachsen ist er überwiegend in Berchtesgaden, im Dunstkreis des Diktators. Er musste sich, mit dieser Herkunft und diesem Namen, seinen Weg mit aller Kraft selbst bahnen. Am Freitagabend ist Albert Speer im Alter von 83 Jahren nach einem häuslichen Unfall gestorben. Er war eine Stimme stadtplanerischer Vernunft, die gerade jetzt, in einer Zeit der umfassenden Neuorientierung unserer Vorstellung von Stadt und Urbanität, so dringend benötigt würde und bitter fehlen wird.

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