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Puck in Leder. Hier ist sie bei der Berlinale 2013 im Einsatz. 2016 fehlte sie erstmals, da war sie schon zu krank.

© Britta Pedersen/dpa

Update

Nachruf Erika Rabau: Im Reich des roten Teppichs

Ihre Porträts umarmen den Menschen: Ein Nachruf auf die Berliner Kulturfotografin Erika Rabau.

Das ging noch wochenlang. „Hallo, hier ist Erika“, krähte immer mal wieder das unverkennbare Falsett aus dem Telefon, „wir wollten doch noch irgendwann bei meinem Kroaten essen gehen!“ Einmal mit Erika Rabau ein paar Stunden beim Gespräch zusammengesessen und schon von ihr ins Herz geschlossen. Distanzierteren Naturen kommt so viel hartnäckiger Überschwang eher spleenig vor. Doch für Erika Rabau, die am 10. April gestorben ist, wie ihre Familie am Dienstagabend mitteilte, war nichts normaler, als herzlich und begeistert interessiert an Menschen zu sein. Und an deren Gesichtern, die sie als „Landschaften“ ansah.

Unzählige davon hatte Rabau, die 1972 vom damaligen Direktor Alfred Bauer zur offiziellen Fotografin der Berliner Filmfestspiele berufen wurde, dort seit 1963 abgelichtet – und ist darüber selbst zum Gesicht der Berlinale geworden. Dass sie dieses Jahr im Februar wegen einer Erkrankung beim Festival fehlte, ist aufgefallen. Selbstverständlich auch Berlinale-Chef Dieter Kosslick, der in einem Grußwort zu einer ihr gewidmeten Fotoausstellung „unendlich bedauert (...), zum ersten Mal auf Erika und ihre Tasche auf dem roten Teppich verzichten zu müssen“. Ja, die Tasche, die Kluft, die Stimme, der Schopf stehen für die Marke Erika Rabau. In schwarzem oder türkisem Leder, behängt mit mehreren Kameras und klapperndem Schmuck, die Tasche wie einen Kartoffelsack hinter sich herziehend – so hat sie sich der Weltpresse, den Schauspielern, Regisseuren, Produzenten, Autogrammjägern, kurz dem ganzen Filmvolk, jedes Jahr zehn tolle Tage lang eingeprägt.

Chronistin des Augenblicks. Erika Rabau machte Schnappschüsse, keine Kunstfotografie. Hier von Jeanne Moreau 1979 bei der Vorstellung ihres Films „L’Adolescente“.
Chronistin des Augenblicks. Erika Rabau machte Schnappschüsse, keine Kunstfotografie. Hier von Jeanne Moreau 1979 bei der Vorstellung ihres Films „L’Adolescente“.

© Erika Rabau/Berlinale

Die Fotografin war selbst ein „Filmstar“ und der „gute Geist“ des Festivals, wie ihr erklärter Fan Dieter Kosslick feststellt, der sie 2004 mit der Berlinale-Kamera ehrte. Ihre Fotos umarmten die Menschen, sprächen mit ihnen. „Bei ihr werden in kurzen Sekunden Fremde zu Freunden.“ Oder zu Kaufinteressenten, wie James Stewart, der ihr vergeblich für 2000 Mark die Leica abschwatzen wollte. Die Episode gehört zu den unzähligen Geschichten, die sie mit Berühmtheiten erlebt und gerne erzählt hat. Ein Geheimnis war und blieb dagegen ihr Alter, dass die in Danzig geborene und in Berlin aufgewachsenen Fotografin, die zehn Jahre in Argentinien lebte, nie preisgab.

Schnappschuss. Der damalige Berlinale-Direktor Moritz de Hadeln 1981 mit Michel Piccoli.
Schnappschuss. Der damalige Berlinale-Direktor Moritz de Hadeln 1981 mit Michel Piccoli.

© Erika Rabau/Berlinale

Dass sie keine Kunstfotografie, sondern Schnappschnüsse machte, wusste die professionell in Lichtsetzen, Cadrage, Bildinszenierung ausgebildete Rabau selbst am besten. „Ich machte Actionfotos“, hat die Chronistin des Augenblicks das ganz schmucklos genannt. Dass sie damit nicht nur das Bild der Berlinale, sondern auch der Stadt und besonders des alten West-Berlins gezeichnet hat, war ihr trotzdem klar. Auch durch die 30 Filmrollen, die die leidenschaftliche Kleindarstellerin bei Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders und besonders beim Trashkönig Lothar Lambert gespielt hat, zu dessen Filmfamilie sie seit „Tiergarten“ von 1979 gehörte. Lambert war es auch, der ihr nach Vincent Samsons schönem Filmporträt „Der Puck von Berlin“ (2008) erst im vergangenen Jahr die filmische Hommage „Erika, mein Superstar“ widmete. Die hat ihr ganz gut gefallen, bis auf den Titel: „Ich bin doch kein Star, ich bin ein Mensch.“

Das stimmt, wenn man an den vollen Körpereinsatz der zierlichen Frau beim Fotografieren denkt. Ihr Motto: „Ellbogen sind zum Benutzen da.“ Oder an die helle Stimme, mit der sie die Prominenz beherzt dirigierte. An ihre feinen Wangenküsse, den federleichten Händedruck. Aber sonst war sie ein Wesen aus einem leichteren, flirrenderen Stoff. Eine Elfe, ein Kobold, ein Puck, wie Friedrich Hollaender sie nach ihrer Schilderung einst getauft hat. Mit frei fliegendem, nicht zu bändigendem Haar.

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