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Kultur: Neue Kreise

Die Kunstmesse Viennafair blickt nach Osten.

Die Wiener Kunstmesse Viennafair wird sich im Oktober stärker auf osteuropäische und südosteuropäische Kunst spezialisieren – es ist bereits der zweite Kurswechsel. Schon 2011 hat der russische Unternehmer Dmitry Aksenov in die Viennafair investiert und einen Strategiewechsel eingeleitet. Wien will seither Vermittler zwischen Ost und West sein – als Schmelztiegel diverser Kunstauffassungen.

Jetzt haben die Organisatoren Christina Steinbrecher und Vita Zaman in Berlin ihr neues Konzept vorgestellt. Ein Schwerpunkt liegt auf der polnischen und russischen Galerieszene. Außerdem ist eine Öffnung zum islamischen Raum geplant. Die Auswahl habe „verbindenden Charakter“, so Zaman. „Galerien aus Russland, Polen und Österreich sind dabei, aber auch aus Aserbaidschan, dazu drei aus der Türkei.“ So soll die Demarkationslinie zwischen „dem Osten“ und „dem Mittleren Osten“ verwischt werden.

Die Idee klingt vielversprechend. Immerhin will sich die Messe als Gegenstück zur Art Basel positionieren, wo in erster Linie klassische, arrivierte Kunstwerke den Besitzer wechseln und es neue, politische und riskante Perspektiven schwer haben. Wenn man dann Rainald Schumacher zuhört, dem Programmleiter der neuen Viennafair-Reihe „20 four 7“, versteht man die Bedeutung dieses Gegenpols: „Es werden immer mehr neue Namen, neue Teile der Welt auf dem Kunstmarkt erschlossen. Wir wollen in Talkrunden darüber sprechen, wie man als Kunstsammler der Verantwortung gegenüber zeitgenössischer Kunst gerecht wird.“ Besonders diese Kunst müsse gezeigt werden, so Schumacher, um sich in der Kunstgeschichte von morgen zu behaupten – und nebenbei eine lukrative Investition zu ermöglichen.

Hinzu kommt der inhaltliche Aspekt. Im Osten Europas entsteht viel Kunst mit politischem Impetus, die für Künstler ein Risiko und für Galeristen nur schwer zu vermitteln ist – etwa in der Ukraine oder der Türkei. Ideelle und finanzielle Interessen sollen also in Einklang gebracht werden. Man ahnt, wer das Zielpublikum ist: russische Sammler, die für eine Arbeit von Damien Hirst Millionen bezahlen, ohne zu wissen, was vor der eigenen Haustür passiert. Die Viennafair will das ändern, dabei setzt sie auf ein umfangreiches aufklärerisches Programm. Sammlergespräche sollen helfen, die Bedeutung zeitgenössischer Kunst aus den Rändern Europas zu erkennen; ein Anspruch, der im vergangenen Jahr nicht immer einzulösen war.

Kunst aus Osteuropa hat es schwer, sich durchzusetzen, weil sie viel weniger auf die Gesetze des Marktes achtet. Sie wendet sich gegen finanzkapitalistischen Wahnsinn, urbanistische Fehlentscheidungen, die Willkür der Märkte, den wachsenden Unterschied zwischen Arm und Reich oder die Tristesse des postkommunistischen Alltags. Dabei ist sie spröde, revolutionär, oft politisch und abstrakt. Sie konterkariert die ästhetische Unverfänglichkeit vieler Ausstellungen in London, Berlin und New York. Doch genau das ist auch ihre Stärke. Zugleich ist sie schwer übersetzbar; selbst für Landsleute. Dieses Dilemma zu überbrücken, gehört zu den größten Herausforderungen der Messe.

Tomasz Kurianowicz

Viennafair, 10.–13.10., www.viennafair.at

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