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Der Schriftsteller Martin Walser, aufgenommen am 19.12.2016 in Birnau, Baden-Württemberg

© dpa

Neuer Roman von Martin Walser: Gar alles muss raus

Ganz nach der Peter-Kurzeck-Devise "Schreib weiter! Schreib schneller!“: Martin Walser veröffentlicht im Frühjahr schon wieder einen neuen Roman.

Es muss jetzt doch wieder schnell- schnell gehen, Martin Walser will keine Zeit verlieren. Statt wie angekündigt am 20. April erscheint sein neuer Roman mit dem Titel „Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte“ nun schon am 27. März. Das ist werbetechnisch zwar immer noch ungünstig, weil die Leipziger Buchmesse da lange vorbei ist, aber nur drei Tage nach dem 91. Geburtstag von Walser.

Nun wird sich die eine oder der andere ein bisschen wundern. Walser? Wieder ein neues Buch? „Ein ungeheuerliches, überwältigendes Buch“, wie der Verlag jubelt, ein Roman gar – gibt es nicht ständig neue, überwältigende Walser-Bücher? Erst im vergangenen November zum Beispiel veröffentlichte Walsers Verlag das sogenannte Gespräch mit seinem Sohn Jakob Augstein, das sicher nicht ganz spontan stattfand, nicht nur „Das Leben wortwörtlich“ war, wie der Titel suggeriert, sondern textlich hart erarbeitet wurde. Oder es gab den Roman mit dem erratischen Titel „Statt etwas oder Der letzte Rank“, ebenfalls im vergangenen Jahr. Gefühlt erscheinen inzwischen mindestens zwei Walser-Bände pro Jahr, nicht zuletzt immer mal wieder solche, in denen ältere Sachen in neuer Aufmachung präsentiert werden.

Walsers Held ist "vom Rechthabenmüssen zermürbt"

Nun also hat Walser wieder gänzlich neue Prosa geschrieben, was natürlich nicht stimmt. Denn wirklich Neues dürfte sich in diesem Roman nicht finden. Zumal dieser ja nicht wirklich ein Roman ist, er keine Geschichte erzählt, sondern aus mehr oder weniger losen Blog-Einträgen besteht. Die schreibt ein Philosoph, der zwei Frauen liebt und genau an dieser Zwei-Frauen-Liebe verzweifelt, und letztendlich kann man diese Einträge auch als „Briefe“ verstehen. Es geht um alles, klar, um „gar alles“. Doch dieses „alles“ sind die nur zu gut bekannten Walser-Philosopheme, Sätze wie „Jede Wahrheit hat das Zeug zur Lüge. Und: Lügen sind Irrtümer, die man absichtlich begeht“. Oder: „Macht ist immer Macht über andere. Das will ich nicht.“ Oder: „Vom Rechthabenmüssen zermürbt.“

Und auch wie jener Justus Mall, der Held und Brief- oder Blogschreibende, seine Liebesunmöglichkeitstraktate unterzeichnet, kommt einem aus vielen der letzten Brief- oder E-Mail-oder SMS-Romane von Walser bekannt vor: „Ihr Ohnmächtiger“, „Ihr Philosoph“, „Ihr Bewerber“ oder „Ihr Was-Sie-wollen“. Nein, nichts Neues unter der Walser-Sonne. Wer es mag und Serielles sowieso, dürfte trotzdem seine Freude haben. Martin Walser jedenfalls schreibt und veröffentlicht inzwischen nach der Devise: Es muss gar alles sofort raus.

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