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Das Namensschild von Cornelius Gurlitt an der Tür seines Hauses in Salzburg vor einem Jahr. Gurlitt ist ein halbes Jahr nach Entdeckung seiner Sammlung gestorben.

© dpa

Neuer Streit im Fall Gurlitt: Das anrüchige Erbe der NS-Raubkunst

Vor einem Jahr wurde die Sammlung von Cornelius Gurlitt beschlagnahmt. Jetzt droht frischer Streit um das Erbe des inzwischen verstorbenen Sammlers. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Bernhard Schulz

Heute vor einem Jahr platzte die Meldung in die Öffentlichkeit, bei einem gewissen Cornelius Gurlitt seien weit über eintausend Kunstwerke beschlagnahmt worden – samt und sonders Werke, die die Nazis bei zumeist jüdischen Eigentümern geraubt hätten. Zwei Tage später musste die federführende Staatsanwaltschaft Augsburg Einzelheiten bekannt geben – und machte keine gute Figur. Keine gute Figur machten anfangs überhaupt alle staatlichen Stellen, die mit dem Fall des Cornelius Gurlitt befasst wurden, Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Der hatte die Kunstwerke vom NS-Regime erworben, behalten und dem überforderten Sohn hinterlassen.

Gurlitt vermachte sein Erbe dem Kunstmuseum Bern

So weit, so bekannt. Cornelius Gurlitt, längst schwer krank, verstarb ein halbes Jahr nach dem Sensationsfund. Sein Erbe vermachte er dem Kunstmuseum Bern – eine letzte Volte. Noch hat das Schweizer Haus über die Annahme nicht entschieden. Doch der Druck steigt, das Erbe auszuschlagen. Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses und milliardenschwerer Sammler vornehmlich deutscher und österreichischer Kunst, hat den Fall Gurlitt zum Präzedenzfall erklärt – für die Bereitschaft Deutschlands, mit dem unseligen Nazi-Erbe endlich aufzuräumen.

Dabei vermischt Lauder gleich zwei Arten von Raubkunst: die von den Nazis privaten Eigentümern geraubten Objekte und jene, die im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ in den öffentlichen Museen beschlagnahmt und über Händler wie Gurlitt verkauft wurden. Die „Entartete Kunst“ solle den Museen zurückgegeben werden, fordert Lauder – wohl wissend, dass dies einen Rattenschwanz unlösbarer Streitfragen – wem gehört was? – nach sich zöge. Aus gutem Grund haben die (west-)deutschen Museen bereits 1948 auf derartige Ansprüche gegeneinander verzichtet.

In Sachen Raubkunst tut sich einiges

Bleibt die NS-Raubkunst. Die Bundesrepublik tut mehr, als Lauder zugestehen mag. Provenienzforschung wird längst in allen großen Museen betrieben, auch wenn naturgemäß immer noch mehr getan werden könnte. Rückgaben oder häufiger noch: finanzielle Einigungen mit anspruchsberechtigten Erben der Alteigentümer sind zum Glück an der Tagesordnung. Der Generalverdacht, unter den Lauder die deutschen Museen stellt, entbehrt jeder Grundlage. Auch im Fall Gurlitt, so publik er das Vorhandensein von NS-Raubkunst auch gemacht hat, konnten bislang nur wenige zweifelhafte Werke ausfindig gemacht werden.

Das unselige Erbe der NS-Zeit wird sich nie ganz aufarbeiten und noch weniger „wiedergutmachen“ lassen. Aber es ist allmählich kleiner geworden, kleiner als Lauder behauptet. Auch das ist eine, und zwar die tröstliche Nachricht nach einem Jahr „Fall Gurlitt“.

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