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Das Auckland Youth Orchestra bei Young Euro Classic.

© Kai Bienert / Mutesouvenir

Neuseeland bei Young Euro Classic: Berge, die aus Meeren ragen

Natur pur: Das Auckland Youth Orchestra tritt mit Werken neuseeländischer Komponisten bei Young Euro Classic auf.

Kommt das Auckland Youth Orchestra zu Young Euro Classic, wird Natur großgeschrieben. Was auch naheliegt, denkt man doch bei Neuseeland sofort an grandiose Herr-der-Ringe-Landschaften, an Berge, die direkt aus dem Ozean auf fast 4000 Meter aufragen. Auch die Uraufführung „Persephone“ von Alexander Cowdell, der in Neuseeland aufgewachsen und Präsident des Orchesters ist, kann man vor dieser Folie interpretieren. Geht es doch um die Gattin des Hades, die die Hälfte ihres Lebens in der Unterwelt verbringt und im Frühling zurückkehrt auf die Erde – und mit ihr das Leben. Ein infernalischer Gong mit Pauken, die Streicher intonieren einen einzigen, langgezogenen Ton: Von Beginn an sind wir im Totenreich.

Cowdell fächert die Orchesterfarben auf, mal marschartig, mal mit düsteren Streicherfäden, erzählt Bilder und Szenen in reinster Programmmusik, eine Art Symphonische Dichtung. Der triumphale Schluss überrascht, wirkt angeklebt, nicht aus dem Vorhergehenden entwickelt. Dirigent Antun Poljanich ist ein Gentleman am Pult, dirigiert sparsam und mit minimalem Radius, inspiriert sein Orchester aber damit zu konzentriert-plastischem Klang. Auch die „Fantasie für Oboe und Orchester“ von Anthony Ritchie, zweiter neuseeländischer Komponist des Konzerts, hat mit einiger, nun ja, Fantasie etwas Pastorales – vor allem in den zwitschernden Zwiegesprächen von Solist und Holzbläsern. Noah Rudd entlockt seiner Oboe flinke und leichtfüßige Töne, bleibt allerdings dynamisch zaghaft, das Tutti buttert ihn oft unter, wirklich prägen kann er nicht.

Attraktiver Zugriff auf Coplands „Appalachian Spring“

Nach der Pause ein Stimmungskiller: Der Europäische Komponistenpreis über 5000 Euro wird vergeben an Agata Zubel für ihr Stück „Fireworks“, an dem die Jury die Feier des Hier und Jetzt mit Mitteln der Mikrointervallik hervorhebt, ohne dass die Preisträgerin anwesend wäre (eine Uraufführung in der Royal Albert Hall entschuldigt vieles) und ohne dass das Stück an diesem Abend erklänge, denn es wurde schon vor einer Woche aufgeführt. Ein strukturelles Problem, das Festival sollte sich Gedanken machen, wie man so eine Verleihung attraktiver gestalten kann.

Sehr attraktiv dagegen der Zugriff der Neuseeländer auf Aaron Coplands Amerika-Panorama „Appalachian Spring“: feingesponnener Streicherteppich, biegsames Blech und eine Klarinette, die das simple, berühmte Shaker-Thema anstimmt, das fünfmal variiert wird. Natur darf man auch hier assoziieren, selbst wenn nicht klar ist, ob „Spring“ Frühling oder Quelle meint – und Copland selbst beim Komponieren die Bergkette der Appalachen gar nicht im Sinn hatte, sein ursprünglicher Titel lautete völlig anders.

Schließlich noch die nordischen Weiten Finnlands, in gewissem Sinne das Neuseeland Europas. Seltsam, dass der zarte Pinsel von Antun Poljanich in Sibelius’ Freiheitshymnus „Finlandia“ plötzlich dick wird und massig, die feine Klangbalance verschmiert ins Unleserliche. Man verfehlt Sibelius um Meilen, versteht man ihn hauptsächlich als Tschingderassabum-Komponist.

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