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Kultur: Nicht fummeln, Liebling!

Jede Menge Gedankenblitze: Charlotte Roche moderierte die Feier mit Tempo und Witz

Mann-o-mann – was sind wir hier in Berlin kreativ. „Alle dreieinhalb Sekunden eine gute Idee“ – das muss man uns erst mal nachmachen. Woher Charlotte Roche diese erfreuliche statistische Größe auch haben mag, wir glauben sie einfach. Und wenngleich es gestern Abend bei der Eröffnungsgala der 57. Filmfestspiele im Berlinale-Palast überraschenderweise nicht alle dreieinhalb Sekunden eine gute Idee gab, sich sogar die Sekunden trotz aller Munterkeit der Moderatorin mitunter bedenklich dehnten – es waren doch ein ganze Menge ins Programm montierter Gedankenblitze, und man kann den Abend zu den gelungenen verbuchen.

Nehmen wir nur das Rednerpult, unabdingbar für einen Kulturstaatsminister jedweden Formats und erst recht für einen wie Bernd Neumann. Ein Möbelstück mit gläsernem Boden, Charlotte, das freche Mädchen, hatte ganz Recht, dass sie sich leicht darunter verkriechen könnte, um den Herrn Minister von unten zu betrachten – und das tat sie dann auch, zum allgemeinen Vergnügen. Ebenso sinnvoll war es, dass Festivalchef Dieter Kosslick und seine kesse Kleine gleich zu Beginn ihres Wortwechsels Händchen hielten – denn, wie sie wiederum zutreffend bemerkte, „dann fummeln wir nicht“.

Das war schon eine andere Nummer als der zugleich weltmännisch wie augenzwinkernd agierende Heino Ferch des Vorjahres. Diesmal hatten Kosslick und seine Crew sich offenbar noch mehr Jugendfrische gewünscht, in Gestalt der manchmal im Tempo gebremsten, doch meist flott tänzelnden Ex-Viva-Frau Charlotte. Und die darf, nein, soll sogar ab und zu eine Lippe riskieren, und seien es Spekulationen darüber, was ein Minister wohl macht, wenn er das Parkett mal kurz verlässt – dabei musste er nur zu seinem Auftritt auf der Bühne.

Auch die Musik war überraschend, schon durch den Gegensatz zu Edith Piafs Geschmetter nachher im Eröffnungsfilm „La vie en rose“. Im fortgeschrittenen Programm die Berliner Soulsängerin Joy Denalane und gleich zu Beginn den Temperamentsbolzen Jan Delay, für Charlotte Roche „the funkiest citizen we have in this country“ – Beats statt Bilder, das gefiel.

Delay behielt übrigens beim Singen den Hut auf. Jean Pierre Martins dagegen – im Film Boxer und Traummann der Piaf – setzte ihn ab und wusste dann bei der Gala nicht recht, wohin damit. Aber mit Anzug und Jackett über den roten Teppich und in den Kinosaal, das war schon dekorativ, fast so schön wie die hochgesteckte dunkle Mähne von Marion Cotillard oder die blonden Locken ihrer Mitspielerin und Polanski-Frau Emmanuelle Seigner.

Die Truppe um Regisseur Olivier Dahan (statt mit Hut nur mit Mütze) heimste schon im Vorfeld allerhand Beifall ein, Sonderapplaus gab es im Saal auch für Altmeister Arthur Penn und die Jury um ihren Präsidenten Paul Schrader – wie bereits vor der Gala die üblichen Rituale auf dem roten Teppich zwischen den Fotografen und der ins Warme strebenden Prominenz. Vadim Glowna wurde schon im Eingangsgedränge das erste Autogramm abverlangt, Mutter Beimer sonnte sich wieder im Blitzlichtgewitter, Corinna Harfouch gewährte nur wenige Schnappschüsse. Ansonsten viele übliche Gesichter, Joachim Król und Michael Ballhaus, Franka Potente, Barbara Schöneberger, Oliver und Iris Berben, dazu als Rarität Jeff Goldblum. Schade, dass Alec Baldwin nichts da war. Das ist der internationale Schauspieler, von dem Klaus Wowereit sich gern darstellen lassen würde – so entlockte es ihm Charlottchen. Nur müsste der Mann aus Hollywood kräftig abnehmen – oder Wowereit mehr schlemmen.

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