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Kultur: Nichts ist alles

Bio to go: „Brachland“ in der Neuköllner Oper

Am Ende herrscht Kapitulation pur: „Ich hasse mich dafür, dass ich immer noch Appetit auf vietnamesisches Essen habe!“ Und das nach diesem so komödiantischen Selbstfindungsprozess für Großstädter, den das Ensemble Leitundlause in der Neuköllner Oper veranstaltet.

Die Geschichte von „Brachland“ ist schnell erzählt, auch weil Regisseur und Mitautor Matthias Rebstock sie nicht als Geschichte, sondern als Reihung unterschiedlicher Erkenntnisstadien inszeniert: sechs hippe Berlinerinnen, auf der Suche nach einem revolutionären Projekt, beschließen, der Stadt den Rücken zu kehren und die im Schatten der Metropole verödeten brandenburgischen Dörfer als antistädtischen Lebensentwurf zu vermarkten. „Entdecken Sie das Nichts“, „Etwas ist langweilig, Nichts ist alles“ lauten ihre Werbeslogans. Immer besessener reden die Ausgewanderten sich die Einöde schön, bis sie schließlich, wie im Schockzustand, die eingangs zitierte Erkenntnis überkommt. Die Stilisierung des Nichts, das war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Stadt, Land, Schluss.

Zwei Ebenen streift das Stück von Rebstock und Tilman Rammstedt: zum einen das Problem, dass junge qualifizierte Menschen den Osten verlassen, und zum anderen die Absurdität eines ökologischen Scheinbewusstseins, das Großstädter so gerne entwickeln. Beachtung verdient vor allem Letzteres, weil das Schauspielerinnen-Sextett so unverblümt selbstironisch agiert. Denn natürlich sitzen im Publikum all jene, die Bioprodukte kaufen, die zwischen ihrer Projektarbeit zum stylischen Vietnamesen gehen und die „,to go‘ bestellen, ohne zu wissen wohin sie damit gehen sollen“.

Einzig die von Bläsertrio, Klavier und den singenden Schauspielerinnen vorgetragene Musik bleibt bei dieser bühnenpsychologischen Selbstbetrachtung auf der Strecke. Die seltenen Momente, in denen sich Komponist Michael Emanuel Bauer über esoterischen Nena-Pop hinauswagt hat, verkommen meist zum Brachland abseits der Handlung. Daniel Wixforth

Wieder am heutigen Sonntag und 2. - 5., 9. - 12., 16. - 19. 9., 20 Uhr

Daniel Wixforth

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