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Nolde-Stiftung: Wasserfarbenspiele

Emil Noldes Aquarelle von Berg und Meer in der Dependance Berlin.

Der Bestand der Nolde-Stiftung in Seebüll ist schier unerschöpflich, und man muss nicht fürchten, in der Berliner Dependance bereits einmal gezeigte Arbeiten zum zweiten Mal vorgesetzt zu bekommen. Eher ist zu fürchten, dass die Ausstellungsthemen die Stringenz der Anfangszeit des intimen Berliner Hauses verlieren. Bei der jetzigen, nunmehr sechsten Ausstellung der Nolde-Filiale unter dem Titel „Reiselust – Unterwegs in Deutschland, Spanien und der Schweiz“ ist der Verdacht nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn Emil Nolde (1867 - 1956) ist viel mehr und weiter gereist, als es die Beschränkung auf drei Länder nahelegt. Allein der Südsee-Expedition des Malers kurz vor dem Ersten Weltkrieg war bereits eine eigene Übersicht gewidmet, sodass eine Einbeziehung in den Nolde’schen Reisekosmos jetzt nicht mehr infrage kam.

Einerlei – denn wundervoll wie stets sind die einhundert gezeigten Aquarelle, ergänzt um ein Dutzend Ölgemälde. Zudem überspannen sie von 1907 bis 1949 den Großteil der Schaffenszeit Noldes und damit seiner stilistischen Entwicklung. Am Anfang stehen die tastenden Versuche der Jahre 1907/08 in Thüringen. Da entdeckte Nolde, wie er vierzig Jahre später in seinen Lebenserinnerungen schrieb, die Aquarellmalerei für sich, „und das Malen mit Aquarellfarben ist seitdem mir ein Bedürfnis geblieben“.

Bedürfnis – und Gewinn. Überraschend unter den zahlreichen, großenteils nie zuvor gezeigten Aquarellen sind jene aus Spanien 1921, wo sich Serien von Tänzerinnen und Toreros und scharf geschnittenen Männergesichtern unter breitkrempigen Hüten abwechseln. Doch auch jene aus der Schweizer Bergwelt, die daran erinnern, dass der junge Nolde vor der Jahrhundertwende als Zeichenlehrer in St. Gallen und nicht zuletzt mit humoristischen Postkarten sein Auskommen fand. „Man findet hier noch die Natur in ihrer Ursprünglichkeit“, berichtete er 1894, als zumal die Schweiz noch nicht die heutige, von der Tourismusindustrie zugerichtete Kulisse war. Doch der Tourismus hatte bereits Einzug gehalten, davon kündet auch das großartig leichthändige Aquarell „Zwei Skiläufer auf dem Hang“.

Überhaupt ist die bei Nolde oft sehr wässrige Aquarellmalerei mit ihren ineinanderlaufenden Farben ideal geeignet, den flimmernden, flirrenden Eindruck der einerseits strahlend weißen, andererseits in ihren Schatten blauen Bergwelt vor noch blauerem Himmel weniger wiederzugeben als vielmehr in ihrem Stimmungswert einzufangen. Kein Zweifel, die Schweizer Aquarelle aus den dreißiger und vierziger Jahren sind der große Gewinn dieser Ausstellung.

Sie schließt mit den späten Arbeiten aus St. Peter(-Ording) vom Frühjahr 1946. Näher an der Abstraktion war Nolde wohl nie. Nur mehr als Erinnerung an die Dingwelt figurieren da die titelgebenden „Kleinen Dampfer“ oder „Zwei weiße Segel“ inmitten von Farbfeldern und -flecken, die an die Aquarelle des späten William Turner erinnern. Oder an den französischen Tachismus der unmittelbaren Nachkriegszeit nach 1945.

Manche Aquarelle hat Nolde anschließend in Öl größer und kompositorisch überlegter ausgeführt. So den „Sonnenuntergang“ von 1948: Orangerot sticht die knapp über dem Horizont stehende Sonne aus dunkelrotem Himmel hervor, kräftige Reflexe auf dem Wasser hinterlassend. Kraftvoll sind die Naturansichten Noldes, und mit zunehmendem Alter des Malers werden sie immer dichter. Eine Augenlust ist diese Ausstellung, die keines Themas bedurft hätte. Denn die Farbe war Noldes Lebensthema.

Nolde-Stiftung, Dependance Berlin, Jägerstr. 55 (am Gendarmenmarkt), bis 4. Juli, täglich 10 - 18 Uhr. Katalog im Verlag DuMont, 29 €.

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