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Kultur: NPD-Verbotsantrag: Zehn Kartons für das Gericht - Parteiverbote sind die Ausnahme und vor allem genau zu begründen

Solche Post kommt nur selten nach Karlsruhe. Punkt 23.

Solche Post kommt nur selten nach Karlsruhe. Punkt 23.23 Uhr traf der NPD-Verbotsantrag der Bundesregierung am Dienstagabend beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Zehn schwere Umzugskartons und zwei Kästen voller Aktenordner schleppten Beamte des Bundesgrenzschutzes ins Gericht. Der Antrag selbst umfasst zwar nur rund 85 Seiten, die Anlage dazu drei Aktenordner. Aber dem Gericht wurde eine 30-fache Ausfertigung zugestellt.

Das Urteil wird sicherlich eine Weile auf sich warten lassen. Parteiverbotsverfahren sind selten in Deutschland, der Begründungsaufwand ist in beiden möglichen Varianten - Verbot oder nicht - hoch. Maßgeblich ist, ob eine "aggressiv kämpferische Haltung" gegen die Bundesrepublik vorliegt - so hat es das Verfassungsgericht formuliert. Verboten gehören also nur Parteien, die den Umsturz wollen und aktiv vorantreiben.

Aber das muss erst einmal bewiesen werden. Die Bundesregierung traut sich diesen Beweis zu. Sie hat bei der NPD ein "Drei-Säulen-Modell" erkannt, ein mental-militantes Konzept, das nach einer "Schlacht um die Köpfe" eine "Schlacht um die Straße" und schließlich eine "Schlacht um die Wähler" propagiert. Der Beweis wird Zeit kosten. Innenminister Otto Schily (SPD) rechnet mit "mindestens einem Jahr" für das Verfahren.

Zuletzt hatte die Bundesregierung 1993 ein Verbot der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei" (FAP) beantragt. Das FAP-Verfahren war aber ein kurzer Prozess. Die rechtsextreme Organisation galt nicht als Partei im Sinne des Grundgesetzes, sondern sei ein einfacher Verein, meinte das Verfassungsgericht. Die Bundesregierung hätte die "Arbeiterpartei" also ohne Hilfe aus Karlsruhe auflösen können - und tat es auch.

In der Geschichte der Bundesrepublik sind nur zwei Mal Parteien verboten worden: die "Sozialistische Reichspartei" (SRP) 1952 und die "Kommunistische Partei Deutschlands" (KPD) 1956. Auch die NPD sollte schon einmal verboten werden, 1968, gemeinsam mit dem KPD-Nachfolger DKP. Die Initiative ging vom damaligen CDU-Innenminister aus. Er hieß Ernst Benda und war später Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Die Regierung jedoch wollte nicht. "Das Kabinett hielt es für richtiger, die rechts- und linksradikalen Tendenzen politisch zu bekämpfen", schreibt Benda in einem Lehrbuch. Das Vertrauen in die Bürger war gerechtfertigt. Weder NPD noch KPD kamen bei den Wahlen 1969 über die Fünf-Prozent-Hürde.

Jetzt wird ein neuer Anlauf genommen. Die Antragsschrift verfasste Hans Peter Bull, der die Regierung vor Gericht vertritt. Bull ist Professor für Öffentliches Recht in Hamburg und war früher Innenminister in Schleswig-Holstein und Bundesbeauftragter für den Datenschutz. Bundestag und Bundesrat wollen mit eigenen Anträgen und eigenen Prozessvertretern folgen.

Ein Missgeschick wie bei der FAP hält Bull für ausgeschlossen. Organisationsstrukturen, Mitgliederzahlen, Teilnahme an Wahlen - "es gibt keinen Zweifel, die NPD ist eine Partei", sagt er. Wird die NPD verboten, dann kann sie einpacken, im Sinne des Wortes. Mit dem Parteiverbot wird auch das Verbot wirksam, "Ersatzorganisationen" zu schaffen, also jegliche Auffangbecken brauner Couleur, die NPD-Strukturen imitieren oder sich an deren Programmatik binden. Das Gericht kann zudem das Parteivermögen einziehen lassen.

Danach setzt der eigentliche Vollzug ein. Die Innenminister setzen das Verbot in den Ländern durch. Praktisch heißt das: Die Partei hat aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Etwaige Mandate in Landtagen oder dem Bundestag gehen verloren.

Das Instrument des Parteiverbots gibt es erst seit Gründung der Bundesrepublik - eine Lehre aus der Weimarer Zeit, als man keine Mittel fand, die aufstrebende NSDAP zu bremsen.

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