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General von Choltitz (Niels Arestrup) und Konsul Nordling (André Dussollier) im Film von Volker Schlöndorff.

© dpa

NS-Drama „Diplomatie“ von Volker Schlöndorff: Torpedos unterm Eiffelturm

"Diplomatie" ist der dritte starke Film von Regisseur Volker Schlöndorff über Krieg und Schuld. Das mitreißende Drama erzählt davon, wie ein General und ein Konsul 1944 Paris retteten.

Durchhalteparolen kommen oft von denen, die selber überhaupt nicht daran denken, durchzuhalten. So einer, der das Kämpfen und Sterben delegiert, ist Hauptmann Ebernach. Burghart Klaußner spielt ihn als geschniegelt-feisten Parolenausspucker. Er schwärmt von der Schönheit des Untergangs, von Explosionen und dem „spektakulären Hochwasser“, das daraufhin den ganzen Süden von Paris überfluten werde. Dabei sein will er aber nicht. Er muss zurück nach Berlin, wo der Führer es „unerträglich“ fände, dass die eigene Hauptstadt in Schutt und Asche liegt, während die französische noch immer im alten Glanz strahlt. Also lässt sich Hauptmann Ebernach noch schnell einen Passierschein vom Pariser Stadtkommandanten General Dietrich von Choltitz unterschreiben. Dann schlägt er die Hacken zusammen und ist verschwunden.

Die Nacht vom 24. auf den 25. August 1944, von der Volker Schlöndorffs neuer Film „Diplomatie“ erzählt, gehört zu den Schicksalsstunden in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die Alliierten rücken vor, Hitler hat befohlen, dass Paris „nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen“ dürfe. Wie eine solche Politik der verbrannten Erde umgesetzt werden kann, zeigt der Vorspann, in dem in alten Schwarzweißaufnahmen die Häuser Warschaus, zerrissen von Sprengladungen der SS, in sich zusammensacken. Der Mann, der Hitlers Auftrag erfüllen muss, ist General von Choltitz, dargestellt vom französisch-dänischen Schauspieler Niels Arestrup.

Wie aus dem Hardliner ein Retter wird

Zu Beginn des Films, als der Morgen nicht einmal dämmert, stemmt sich der Befehlshaber in seinem Amtssitz, dem Hôtel Le Meurice, aus dem Bett. Er raucht auf der Terrasse eine Zigarette und ignoriert die Warnungen seines Adjudanten, dass ihn im Gegenlicht „jedes Kind erschießen“ könne. Anschließend erleidet er einen Herzanfall. Aber er reißt sich zusammen, zieht die Uniform an. Denn Choltitz’ Credo lautet: „Ich tue meine Pflicht.“ Seinen Posten hat er erst seit wenigen Wochen. Der Vorgänger wurde wegen Verbindungen zu den Verschwörern des 20. Juli abgesetzt, der Militärchef von Stülpnagel wartet auf seine Hinrichtung. Mit Verschwörern würde sich Choltitz niemals einlassen. Befehle müssen ausgeführt werden, das verlangt seine preußische Offiziersehre. An der Ostfront in Sewastopol, erzählt er, habe er „die schwerste Pflicht meines Lebens erfüllt“, die Ermordung der jüdischen Bevölkerung.

Ein ganz normaler Soldat, ein ganz normaler Täter. Wie aus diesem Hardliner dann doch ein Retter wird, daraus schöpft „Diplomatie“ seinen Thrill. Sein Gegenspieler, der sich in einen Verbündeten verwandeln wird, schleicht sich wie in einem Boulevardtheaterstück durch eine Tapetentür ins Zimmer des Generals. Den Geheimgang hatte angeblich bereits Napoleon III. benutzt, um zu einer Geliebten ins Hotel zu gelangen. Der schwedische Konsul Raoul Nordling, eine Glanzrolle für André Dussollier, ist schon habituell das Gegenteil des Generals. Wo Choltitz wuchtig und unerschütterlich wirkt, da gibt sich Nordling tänzelnd und unverbindlich. Er ist mehr Spieler als Diplomat.

Ein Duell auf Leben und Tod

Nordling hat einen Brief mitgebracht, in dem die Résistance den deutschen Soldaten eine „ehrenvolle Behandlung“ anbietet, wenn sie Paris schonen. Choltitz lehnt es ab, das Schreiben auch nur entgegenzunehmen. Während die Telefonverbindung nach Berlin symbolträchtig zusammengebrochen ist, beginnt ein Dialog, ein Duell auf Leben und Tod. Der Konsul arbeitet mit den Mitteln der Suggestion und der Verführung. Ob der General es verantworten könne, dass drei Millionen Zivilisten beim Untergang von Paris „mit einer Hand zerquetscht“ würden? Und sollten nicht auch die Kinder des Generals eines Tages Paris in seiner ganzen Pracht sehen können? Choltitz reagiert abweisend. Innerlich ist er sich im Aufruhr.

„Diplomatie“ ist fast durchgehend ein Kammerspiel und folgt darin dem gleichnamigen Theaterstück von Cyril Gély, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat. Nur manchmal verlässt der Film das Hôtel Le Meurice, hinaus ins immer sonnigere – der Tag bricht an – Paris, wo bereits U-Boot-Torpedos am Eiffelturm und Sprengladungen im Louvre und der Kathedrale Notre Dame angebracht sind. „Diplomatie“, nach „Der neunte Tag“ und „Das Meer am Morgen“ der dritte starke Film von Schlöndorff über Krieg und Schuld, geht leichthändig mit der Geschichte um. In Wirklichkeit vereinbarten Choltitz und Nordling miteinander den Austausch von Kriegsgefangenen gegen Widerstandskämpfer, aber über die Rettung von Paris haben sie nicht verhandelt. Das mitreißende Drama zeigt, dass mitunter das Nichtstun reicht, um ein Held zu sein.

Cinema Paris, CinemaxX Potsdamer Platz, FT am Friedrichshain, International, Kant Kino, Passage; OmU: Kulturbrauerei und Eva-Lichtspiele

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