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Monumentales Rund.

© Jens Ziehe / O. Eliasson

Olafur Eliasson-Ausstellung in der Langen Foundation: „Es war Liebe auf den zweiten Blick“

Der Sammler Christian Boros zeigt erstmals alle seine Werke von Olafur Eliasson – in Neuss. Einige erwarb er im Wissen, sie dann einzupacken und unter das Bett zu schieben. Hier sagt er, warum.

Mit rund 40 Werken von Olafur Eliasson besitzen Karen und Christian Boros eine der umfangreichsten Sammlungen von Arbeiten des dänisch-isländischen Künstlers überhaupt. Eine eindrucksvolle Auswahl ist bis zum 18. Oktober in der Langen Foundation in Neuss zu sehen. Unter den Objekten sind wichtige Arbeiten wie "Colour spiral", die monumentale Skulptur "Crystak groth 4" oder "Room for all colours" von 1999. Eliasson ist berühmt für Installationen, in denen er mit Licht, Farbe oder Wasser naturwissenschaftliche Phänomene imitiert und für die Besucher sinnlich erfahrbar macht.

Herr Boros, in Ihrem Bunker haben Sie Arbeiten von Olafur Eliasson bislang eher sparsam gezeigt. Nun sind in der Langen Foundation bei Neuss fast 40 Arbeiten des Künstlers aus Ihrer Sammlung ausgestellt. Weshalb überschütten Sie das Rheinland mit seinem Werk?

Christian Boros: Erst einmal mache ich die Ausstellung für meine Frau und mich. Dann bin ich froh, wenn sich auch andere dafür interessieren. Wir zeigen nämlich einige Arbeiten, die wir nach dem Kauf nie wieder aufgebaut haben, weil sie nicht in den Bunker passen. Der hat eine sehr kleine Tür. Außerdem ist der Bunker eine schwierige Kunsterfahrung, das weiß jeder, der mal dort war. In der von Tadao Ando erbauten Langen Foundation wirken die Arbeiten anders. Man hat Ausblicke in die Natur, in die rheinische Ebene und auf Äcker. Deshalb gibt es etwa Spiegelarbeiten von Eliasson im Haus, die die landschaftliche Tristesse um die Insel Hombroich reflektieren.

Als die Ausstellung aufgebaut wurde, waren Sie unterwegs, und Olafur Eliasson hat sich als Kurator betätigt. Was hätten Sie anders gemacht?

Christian Boros zeigt im Berliner Bunkter die Werke von Olafur Eliasson.
Christian Boros zeigt im Berliner Bunkter die Werke von Olafur Eliasson.

© dpa

Es war ein dialogischer Prozess. Tatsächlich hätte Olafur die Ausstellung allein so nicht gemacht, sondern andere Arbeiten ausgesucht. Künstler zeigen lieber ihre neueste Produktion, wenn sie eingeladen werden. Das ist verständlich, das Vorangegangene ist abgeschlossen, und es gibt vielleicht auch Arbeiten, für die man sich heute schämt. Ich hatte einen fast retrospektiven Anspruch und fand die Veränderung interessant: von der kleinen, spröden Versuchsanordnung zu den großen Räumen. Es ist auch mein subjektiver Blick auf zwanzig Jahre Freundschaft.

Sie haben früh Arbeiten von Eliasson gesammelt. Etwa den Ventilator, der im ehemaligen Postfuhramt während der ersten Berlin Biennale 1998 an einem Kabel von der Decke hing und seine Runden über den Besuchern drehte. Was hat Sie fasziniert?

Man denkt ja immer, dass es klick macht. Das tut’s aber nicht. Wie bei vielen großen Lieben war meine zu Eliasson keine auf den ersten Blick.

Nicht mal der Ventilator?

Doch, aber der Kauf war schon die Konsequenz einer Auseinandersetzung. Der allerersten Arbeit „Eine Beschreibung einer Reflexion oder aber eine angenehme Übung zu deren Eigenschaften“ (1995) bin ich in der Galerie Neugerriemschneider begegnet. Ein runder Screen mit einer Wolke. Damit ist Eliasson in Berlin aufgeschlagen – mit einer Lichtversuchsanordnung. Ich habe lange gebraucht, um sie anzunehmen und mich gefragt, was ich damit soll.

Weil sie...

… sperrig ist. Riesig sperrig. Damals war für mich klar: Ich kaufe die Arbeit, weil sie mich fasziniert, werde sie aber nicht wiedersehen. Ich kaufte auch den Ventilator in der Gewissheit, die Schnur um das Ding zu drehen und es unters Bett zu schieben. Damals habe ich weder daran gedacht, meine Sammlung irgendwann zu zeigen. Noch, dass Olafur einmal so eine Resonanz erfahren würde.

Warum wollten Sie die Arbeit dann haben?

Aus Respekt. Man muss ja nicht kaufen, man kann Kunst auch gut finden, ohne sie sich anzueignen. Aber für einen Sammler ist die Aneignung und damit der physische Besitz elementar. Ich musste die Arbeit haben, weil es mehr ist als sie „gut finden“. Es ist wie einverleiben.

"Olafur ist eine der wenigen, bei denen mich meine Begierde nicht verlassen hat"

Ist das der ewige Antrieb zum Sammeln?

Jaja, welche Störung in der Kindheitsphase führte dazu, dass man den Ventilator nicht nur anschaut, sondern besitzen will. Ich habe ja auch Bilder von Michel Majerus und anderen Malern erworben und aufgehangen. Bei Olafurs Arbeiten war hingegen klar: Damit lebt man nicht. Trotzdem wollte ich sie haben, und wenn ich jetzt Revue passieren lasse und über die Künstler nachdenke, die in Berlin in mein Leben gekommen sind, dann gab es große Begeisterung und Käufe. Und das Gefühl, jetzt hast du was und kannst zum Nächsten weitergehen. Olafur ist einer der wenigen, bei denen mich meine Begierde nicht verlassen hat. Ich habe jüngst noch eine Arbeit gekauft, doch die älteste ist 21 Jahre alt. Eliasson ist keine Episode in meinem Leben, sondern er begleitet und überrascht mich immer wieder. Das ist vielleicht der Grund, warum ich nicht aufhöre.

Sie sind überrascht von den Arbeiten aus Ihrer Sammlung?

Nein, von neuen. Aber dann sehe ich Bezüge. Es gibt ein Objekt aus Studentenzeiten, da schaut man durch eine Glaskugel auf ein Dia von Olafur und seinem Vater. Auf der Art Basel in Miami stand 2014 eine Arbeit, in der er das Thema Glaskugel nach zwei Jahrzehnten wieder aufgreift. Olafur hat auch keine Angst vor großen Emotionen. Es wird ihm ja gern vorgeworfen, dass er mit Effekten und Pathos spielt oder einen mit Schönheit betroffen macht. Ich finde, das gelingt ihm meisterhaft. Er schafft es, dass sich in der Londoner Tate Modern Menschen vor seiner Lichtinstallation „The Weather Project“ auf den Boden legen und weinen. Dann gibt es Arbeiten, die so spröde und extra trocken sind, dass man sie wirklich garstig finden kann.

Wie lang hat es von der ersten Begegnung zum Erwerb einer Arbeit gedauert?

Zwei Jahre, aber „Eine Beschreibung einer Reflexion...“ ist nicht das älteste Werk in meiner Sammlung. Das habe ich später in Köln in der Galerie Daniel Buchholz ausfindig gemacht.

Es war noch da?

Das Verrückte ist ja: Heute geht man auf eine Messe und muss in drei Minuten entscheiden, ob man eine Arbeit kauft oder nicht. Hinter einem stehen nämlich schon zehn andere bereit. Damals hatte ich drei Jahre Zeit zur Prüfung.

Sie fanden Sie ja nicht mal anziehend.

Nein, eher gebastelt. Ich war ja der Malerei verfallen. Auch das habe ich begriffen. Eine Lichtarbeit wie von James Turell schaust du dir an, bist fasziniert und denkst: Wie ist das gemacht? Bei Olafur sieht du das. Die Wasserleitungen, Pumpen und Kabel, wo sich Haare sammeln. Die Lichtstrahler und geklebten Spiegel, die sich drehen. Er ist ja kein Verzauberer, der sich nicht in die Karten gucken lässt. Sondern du siehst die Tricks. Es ist nicht der Versuch, die Menschen zu täuschen. Hier baut jemand Naturphänomene nach und lässt mich trotzdem die Natur anders sehen. Es gibt keinen Sonnenuntergang in der Uckermark, keinen Nebel über Brandenburg, den ich beim Spaziergang so betrachten kann wie früher.

Ist das nun gut oder schlecht?

Das ist gut, weil Selbstverständlichkeiten gefühlt werden. Es gibt keinen Sonnenuntergang ohne die Tate Modern, keinen Nebel ohne den Martin-Gropius-Bau. Meine Naturerfahrung ist wesentlich bewusster und schöner. Ich bin bereichert.

Und weshalb sind die Arbeiten nun alle in Neuss aufgebaut?

Es gab eine Einladung der Sammlerfamilie Crasemann. Sie hat wie wir eine private Stiftung. Sie organisiert Ausstellungen in der von ihr finanzierten Langen Foundation, wir machen das in Berlin. Sie hat uns eingeladen, wir haben es angenommen – und carte blanche bekommen. Das ganze Haus wurde leer geräumt. Momentan entsteht der Katalog, der mit Verzögerung erscheint. Olafur wünscht sich Abbildungen mit Kindern und Erwachsenen in der Ausstellung.

Im Düsseldorfer Museum K21 hing als Leihgabe zehn Jahre lang der Ventilator. Ist das eigentlich noch derselbe wie damals im Postfuhramt?

Es gibt eine Kiste mit Ventilatoren. Von der Raumhöhe hängt dann ab, ob man ein großes oder kleineres Modell nimmt. Es ist auch egal, ob er kaputtgeht. Dann kauft man einen neuen Ventilator.

Was hält die Schau noch zusammen außer Ihrer Absicht, sich Arbeiten anzuschauen, die Sie lange nicht mehr sehen konnten?

Ganz viel Erinnerung. Das ist sehr biografisch und jedesmal ein Ringen mit der Frage: Brauche ich die dreißigste, vierzigste Arbeit eines Künstlers?

Das haben Sie ja eindeutig beantwortet.

Aber bevor man „ja“ sagt, gibt es viele Zweifel. Es gibt Erinnerungen an die Räume, in denen man die Arbeit ursprünglich gesehen hat. Und die Gespräche mit dem Künstler. Ich rede ja da nicht mit den Galeristen, die mir etwas verkaufen wollen. Sondern ich frage Olafur: „Brauche ich diese Arbeit?“ Und er hat schon häufiger zu mir gesagt, wenn ich verliebt in eine Arbeit war: „Die brauchst du nicht, Christian. Du hast bessere, lass sie vorübergehen.“

Dann müsste Olafur Eliasson mit jeder ausgestellten Arbeit einverstanden sein.

Es gibt eine kleine Arbeit, die er meinem Sohn geschenkt hat und in einer Ausstellung wohl nicht zeigen würde. Und es gibt Papierarbeiten, die mir vielleicht wichtiger als eine große Installation sind. Das ist der subjektive Blick. Olafur hat zu Recht darauf bestanden, dass die Ausstellung den Zusatz „Werke aus der Sammlung Boros“ trägt. Ich hab sie ja ausgesucht und über zwei Jahrzehnte entschieden, was ich kaufe und was nicht. Ich habe aber auch bewiesen, dass ich die Werke mit Sorgfalt und Respekt hüte und nicht damit spekuliere. So gesehen ist das Boros’ choice.

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