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Energiespender. Patrice im Konzert.

© jms@jmsphoto.de

Patrice: Sonnensohn: Konzert von Patrice in Berlin

Reggae, Soul und Liebe: Patrice gibt ein herzerwärmendes Konzert im Postbahnhof am Ostbahnhof. Im Zentrum steht sein Album "Rising Of The Son", aber auch alte Hits schleudert er mit seiner dreiköpfigen Band in den gut gelaunten Saal.

Der Hippie von heute trägt ein umgedrehtes Basecap, das Hemd ist bis ganz oben zugeknöpft und der Kinnbart akkurat gestutzt. Entscheidend sind die inneren Werte, und die klingen immer noch langhaarig: „Peace and peace and love to my people“ singt Patrice in leicht brüchigem, aber beseeltem Falsett. Der Bass bollert so tief, dass die Hosenbeine vibrieren, ein paar elektronische Beats rollen herein und verwandeln den Song „Hippies with Guns“ in einen dubbigen Chill-Trip. Musik als Waffe – da lässt man sich gern mal abschießen, wenn es sich so wohlig und warm anfühlt.

Ein stattliches Arsenal an Killer-Tracks hat Patrice Bart-Williams, wie der nahe Köln geborene Musiker mit vollem Namen heißt, auf seinen sechs Studioalben bereits angesammelt. Zu Beginn des zweistündigen Konzerts im gut gefüllten Berliner Postbahnhof schleudert er Hits wie „Up In My Room“, „Everyday Good“ und „Another One“ in einer verschwenderischen, fast medleyhaften Art in den Raum. Trotz der rasanten Präsentationsform wirkt der 34-Jährige noch ein wenig gebremst. Doch irgendwann im Laufe seiner frühen Reggae-Nummer „Murderer“ schaltet er sein leicht bekifftes Grinsen an, wiegt sich im Takt und scheint in den Flow zu finden. Als das Publikum minutenlang die „Ohh nananana“-Passage weitersingt, krabbelt er auf den linken Boxenturm, singt ein bisschen im Sitzen weiter und springt dann mit einem Riesensatz zurück in die Bühnenmitte – jetzt ist er wirklich angekommen.

Begleitet wird Patrice nur von drei Bandmitgliedern, was vor allem bei den Stücken, in denen er selbst nicht Gitarre spielt, zu einem äußerst schnörkellosen Sound führt. Damit liegt der Fokus automatisch auf seiner unverkennbaren Stimme und den vielen tollen Refrainmelodien, die das ausgesprochen text- und stimmsichere Publikum immer wieder mitsingt oder weiterführt – besonders beeindruckend bei „Sunshine“.

Auf der sonnigen Seite ist die Show ohnehin. So dient Nina Simones Version von „Here Comes The Sun“ als Eröffnungsmelodie, im Zentrum stehen die Songs von Patrice’ kürzlich erschienenem Album „Rising Of The Son“. Dabei sind Sonne und Sohn für ihn eins. Es gehe um Wiedergeburt und den ewigen Kreislauf des Lebens, hat er erklärt. Was nicht nur spirituell gemeint ist, sondern auch persönlich. Denn der Sohn einer deutschen Mutter und eines Vaters aus Sierra Leone wurde genau an dem Tag geboren, als sein afrikanischer Großvater starb. Zwischen Trauer und Freude hin- und hergerissen gab sein Vater ihm den zweiten Namen Babatunde, was Wiedergeburt des Vaters bedeutet.

Musikalisch besinnt sich der mittlerweile in Paris lebende Musiker mit „Rising Of The Son“ auf seine Anfänge, denn Reggae spielt jetzt wieder eine größere Rolle als auf den Vorgängerwerken. Wobei Patrice, der ja nie ein Jamaika-Streber wie Kollege Gentleman war, seine Lust an der Stilvielfalt weiterhin auslebt. Das kommt auch dem Berliner Konzert zugute, dessen zweite Hälfte um einiges intensiver und spannender ist als die erste Stunde. So verpasst die Band – ergänzt durch einen Trompeter und einen Saxofonisten – dem Stück „Soulstorm“ erst ein „Riders On The Storm“-Intro, lässt es dann zur Mithüpf-Hymne emporsteigen und packt noch ein tolles Ska-Finale dran.

Den Zugabenteil eröffnet Patrice mitten im Publikum. Auf den Schultern eines Security-Mitarbeiters hockend singt er zum verstärkten Getrommel seiner Musiker, die als Mini-Marching-Band durch die Menge ziehen. Herausragend ist wenig später die Single „Cry Cry Cry“. Der an britische Off-Beat-Kapellen wie Madness erinnernde Ohrwurm bekommt im Postbahnhof zusätzliche Facetten. Etwa eine von Van Halens „Ain’t Talking ’Bout Love“ inspirierte zweite Gitarre, die Multiinstrumentalist Kwame Yeboah bedient. Von ihm hätte man gerne noch viel mehr gehört als die gelegentlich eingestreuten High-Life-Licks und Rock- Riffs. Doch der in Ghana geborene und in Großbritannien lebenden Yeboah ist die meiste Zeit damit beschäftigt, Keyboard zu spielen. Auch für Percussion und Background-Gesang ist er noch zuständig. Ein weiterer Musiker hätte der Band sicher gutgetan. Immerhin bleiben die beiden Bläser bis zum Schluss und helfen dabei „Africanize Dem“ in ein funky Fest mit Afrojazz-Vibe zu verwandeln. „Peace and Love“, ruft Patrice noch einmal und schlägt sich auf die Brust. Dieser Hippie hat das Herz am rechten Fleck.

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