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Paul Weller bei einem Konzert im Berliner Huxleys Neue Welt.

© Eventpress Hoensch

Paul Weller live in Berlin: Der Modfather klingt wie einst im Mai

Paul Weller spielt mit seiner Band im Berliner Huxleys ein tiptop Konzert, bei dem er es allerdings nicht schafft, den Saal kollektiv mitzureißen.

Mist, liegen die Trips noch zuhause? Oder in einem anderen Jahrzehnt? Zu Paul Weller im Berliner Huxleys hätten sie glatt gepasst. Hätten einen ausreichend in Stimmung gebracht für den Versuch des 59-Jährigen, die Modfather-Assoziationen á la wütendes Drei-Gitarrenriff-Schimpfen zu erweitern: Der immer noch tiptop aufspielende Weller, das gutgekleidete und überregionale Synonym für britische Nonchalance, das Herz von The Jam und deren romantischer Blue-Eyed-Soul-Popper-Version The Style Council, ist längst über simple Stücke hinaus. Darum hat er auch eine wahre Armada aufgestellt, aus Schlagzeug plus Percussion, Keyboard plus Klavier plus Samples, zwei Gitarren und dem Bass - und alle haben Lust auf ihren Job.

Die Songs der neuesten Modfather-Platte „A Kind Revolution“, deren Titel es eigentlich ganz gut trifft – wirklich unhöflich ist keines der Stücke – wirken live denn auch, als ob eine Clique aus coolen Erwachsenen sich zum gemeinsamen Ausflippen verabredet habe. Das Irrste an Wellers Musik ist in letzter Zeit der Sound, so auch bei dem hübschen Konzertauftakt „Nova“. Allerdings kommt der live leider nicht so sauber, crisp und nachhaltig rüber wie auf CD.

Stattdessen hört man gemeinsam mit den vielen, treuen, langjährigen Fans ein in Teilen undifferenziertes Gegniedel, das mal an Blur, mal an Bowie, mal an The Doors, mal an – gruseligerweise – The Chameleons, erinnert, meist jedoch an Weller, und immerhin angenehm oft auch an The Kinks. Außerdem klingen die aus der Konserve stammenden Bläser, die auf dem neuen Album teilweise von Robert Wyatt eingespielt wurden, live sogar ganz gut. Und so exorbitant lange gejammt wie bei der letzten Tour 2015, die ihm von Anzug- und Parkakollegen saftige Vorwürfe einbrachten, wird zum Glück nicht. Der Klang braucht dennoch ein bisschen um sich zu entwickeln, was der Grund dafür sein könnte, dass die Stimmung beim Konzert zwar an verschiedenen Orten der Halle immer wieder schnafte ist, aber nie kollektiv und raumübergreifend ausgelassen.

Bei den 90er-Songs kommt die Menge ins Wogen

Der Modfather ist dabei mannigfaltig in seiner Performance, und versucht, alle auf einmal zu bezirzen: Er spielt überzeugend Gitarre, die heisere, beschwörende Stimme ist noch die Gleiche wie einst im Mai (beziehungsweise beim Mods Mayday), am Klavier klingt und wackelt er teilweise wie Elton John, und im zweiten Teil des Abends, einem Akustik-Set, ist sein Instrument zwar fast voluminöser als das schmale Hemd mit der Teenager-Jeansgröße, aber: Es sieht gut aus. Dennoch. So richtig vom silbergrau onduliertem Kopf bis weiß beschuhtem Fuß dabei ist man leider nicht.

Ein bisschen mehr geht es ab, wenn Weller die Songs spielt, die die Fans aus den 90ern kennen: Ausufernde Versionen von „Have You Ever Had It Blue“ oder „Into Tomorrow“, oder neuere, „Such A Long Time“ von der vorletzten Platte „Saturns Pattern“ etwa – damit bekommt er die Menge gut zum Wogen. Zwischendurch scheint sich jedoch ab und an lautlos eine Glaswand zwischen Weller und sein Publikum zu schieben. Obwohl man Weller seine Leidenschaft voll abnimmt, bleibt er distanziert – auf der Bühne wird selbstvergessen und teilweise in Pubrock-Manier Musik produziert, im Saal ebenso selbstvergessen aus Prinzip gefeiert, in einer Ecke hibbeln Mods, in der anderen quaken Chartshörer, in der dritten schmachten sehnsüchtig nostalgische Dee C. Lee-Fans.

E-Zigaretten-Rauch als Nebelmaschine

Irgendwann im letzten Teil des langen Konzerts, denn müde wird Mister Weller anscheinend nie, fangen ein paar Zuschauer an zu rauchen, weil die Sucht zuschlägt, und werden von der Saalsicherheit dementsprechend eingenordet. Der zweite Gitarrist Steve Cradock hat es derweil gut: Er inhaliert alle 15 Minuten einen Zug aus der E-Zigarette und pustet den Wasserdampf hernach sekundenlang wie eine menschliche kleine Nebelmaschine auf die Bühne.

Die Band kann ohnehin recht gut miteinander. Was man auch daran merkt, dass Weller die Musiker einzeln namentlich vorstellt, und diese dann jeweils das nächste Stück ansagen dürfen. Eine so einfach wie effektive demokratische Geste, auf die Bands, die nach ihren Gründern heißen, sonst nie kommen. Und obwohl einige der Songs klassische Staus Quo-Strukturen aufweisen (die Weller nach Eigenaussage als Jugendlicher extrem beeinflusst haben), und obwohl man das Tempo zuweilen gar zu langsam für eine Revolution befinden muss, selbst wenn sie freundlich ausfällt: Das jugendlich-arrogante Selbstbewusstsein, dass Paul Weller stets vor sich her trug wie eine Rüstung, das kann man schon noch finden in seiner Performance.

Nach dem Akustik- und einem weiteren Elektrik-Set hat Weller um 23 Uhr nach 120 Minuten dann doch genug, genau wie sein Publikum. Man trennt sich im Guten, ist nicht wirklich sauer, dass es keine Zugabe mehr gibt – auch Ex-Mods müssen mal schlafen gehen, und wo hier schon von vergessenen Trips die Rede war: Amphetamine wurden wahrscheinlich ebenfalls lange nicht mehr geschmissen. Ist ja auch wirklich besser so.

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