zum Hauptinhalt
Entschlossener Blick, knallrote Lippen: Isabelle Huppert als Maureen Kearney, Betriebsratschefin im Atomkonzern Areva.

© dpa/Guy Ferrandis

Politdrama und Psychothriller: Isabelle Huppert ist „Die Gewerkschafterin“

Eine wahre Geschichte: Eine Personalrätin wird von einem Sexualtäter brutal überfallen, damit die Atomlobby ihre Geschäfte machen kann. Jean-Paul Salomé hat sie verfilmt.

Arbeitskampf, die Wirtschaftsmacht China, Frauen in Führungspositionen, Männerbünde, MeToo: Von allem ist etwas dabei in diesem Polit- und Psychothriller, und die Geschichte ist auch noch wahr. Isabelle Huppert spielt Maureen Kearney, Betriebsratschefin beim französischen Atomkonzern Areva.

So lernt die Zuschauerin sie kennen: Entschlossenen Schritts, mit knallrotem Lippenstift und zum Dutt gewundenen Blondhaar bietet die Gewerkschafterin den Bossen die Stirn. Als ihr Dokumente über Geheimvereinbarungen mit den Chinesen zugesteckt werden, deren Realisierung Massenarbeitslosigkeit zur Folge hätte, wird sie zur Whistleblowerin.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Folge: versteckte und offene Drohungen auch gegenüber ihrer Familie (Grégory Gadebois als gutmütiger Ehemann, Mara Taquin als streitlustige Tochter), schließlich wird sie von einem Sexualtäter überfallen. An genau jenem Tag im Dezember 2012, als sie zu einem Termin mit Präsident François Hollande will, um ihn über die Pläne der Atomlobby zu informieren.

Im Film ist es eine Schwarzblende. Danach findet die Putzfrau Maureen im Keller, an einen Stuhl gefesselt, geknebelt, mit einem Messerknauf in der Vagina. Niemand glaubt der Personalrätin den Übergriff, weil Maureen sich nicht wie ein Opfer verhält. Eine kleine, fragile Frau, die vom Konzernboss (Yves Attal), Polizisten und Ärzten entwürdigt und eingeschüchtert, des Täuschungsmanövers bezichtigt und als vermeintliche Lügnerin verurteilt wird: Sie lässt sich trotzdem nicht unterkriegen und geht in Berufung. Eine Paraderolle für Isabelle Huppert.

Regisseur Jean-Paul Salomé hat vor dieser deutsch-französischen Koproduktion Alexandra Maria Lara tritt in einer Nebenrolle auf) schon einmal mit dem französischen Weltstar gedreht. In der Krimikomödie „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ (2020) verkörpert Huppert „Madame Hasch“, eine Dolmetscherin beim Drogendezernat, die zur gewieften Drogendealerin wird. Auch „Die Gewerkschafterin“ basiert auf einer Buchvorlage, dem gleichnamigen Report der Investigativjournalistin Caroline Michel-Aguirre über die Machenschaften des Konzerns und dessen irischstämmige Personalrätin Kearney, deren Areva-Karriere als Englischlehrerin für die Belegschaft begonnen hatte. 

Im Drogendezernat-Film vermisste man das anarchische Potenzial der Romanvorlage, amüsierte sich dennoch gut. Auch diesmal hält sich der 62-jährige Filmemacher an die Genreregeln, erzählt geradlinig ein Politdrama und webt das Porträt einer Frau hinein, die von aller Welt im Stich gelassen wird. Auch von der Ex-Chefin der Firma (Marina Foïs), eigentlich ihre Komplizin in der männerdominierten Businesswelt. Selbst ihr solidarischer Gatte hegt zwischendurch Zweifel. „Wenn sie nicht gestehen, werden sie von einer Dampfwalze aus Medien und Politik plattgewalzt“, sagt einer der Ermittler zu ihr. „Das überstehen sie nicht.“

Maureen knickt ein – und steht wieder auf. Einmal mehr spielt Huppert eine komplexe, komplizierte Heldin. Ihre Kleider und Brillen trägt sie wie eine Schutzuniform, zieht sich nach der demütigenden Untersuchung beim Amtsarzt erstmal die Lippen nach, spielt mit den zunächst bereitgestellten Personenschützern Poker (und gewinnt natürlich), buhlt nie um Solidarität.

Dem Film gelingt es, sein Publikum über den brutalen Akt der Vergewaltigung lange eim Ungewissen zu lassen und seine Titelheldin trotzdem nie an das sie umzingelnde Misstrauen zu verraten.

Nicht zuletzt wird „Die Gewerkschafterin“ auch zum Psychogramm einer Kassandra. Alle Warnungen, derentwegen Maureen mundtot gemacht werden soll, bewahrheiten sich nach und nach. Das Areva-Knowhow wird verscherbelt, der Konzern zerschlagen, Tausende werden arbeitslos. Heute bauen chinesische Firmen AKWs in Europa. Die Gefahren der Atomkraft mit Blick auf die aktuelle Atomstromdebatte verhandelt der Film übrigens nicht. Wäre ein Thema zu viel geworden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false