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Lost in music. Der kolossale Kristof Schreuf im HAU 2.

©  Roland Owsnitzki

Buback-Label-Nacht: Angst vor der nächtlichen Schar

Klassentreffen des Polit-Pop: Das Hamburger Indie-Label Buback präsentiert sich mit vier Bands im HAU.

Der Beginn dieser Buback-Label-Nacht ist ein merkwürdiger, unorthodoxer. Anstatt einfach eine der vier Bands pünktlich auf die Bühne zu schicken, haben sich Veranstalter und Label gedacht, an diesem kalten Sonntagabend im HAU 2 erst einmal eine Podiumsdiskussion abzuhalten, mit einem Vertreter des in Hamburg ansässigen Labels, Thorsten Seif, und zwei Musikern, dem Soloartisten Kristof Schreuf und Ebba Durstewitz von der Band Ja König Ja. Um, wie es im Veranstaltungsprogramm heißt, unter anderem „über Körperpolitiken in Punk und Rockmusik“ zu diskutieren, über die „gegenwärtigen Perspektiven von Popkultur mit politischem Anspruch“.

Darunter macht man es nicht im Hebbel Theater, wo ja seit längerem der manierlich-verfeinerte Popdiskurs gepflegt wird. Und darunter darf es natürlich auch ein unabhängiges Label wie Buback nicht machen, das seit über 20 Jahren existiert und Bands wie die Absoluten Beginner hervorgebracht oder die Goldenen Zitronen unter Vertrag hat. Ein Label, das Popmusik nicht nur um der Musik willen veröffentlicht, sondern damit auch einen politischen Anspruch verbindet, so schwer erkennbar der manchmal ist. Die inhaltlich-programmatische Vorgabe klingt dann an diesem Abend auch besser als das, was Moderator Christoph Gurk und seine drei Mitstreiter besprechen. Die Vergangenheit des Labels war bewegt, ja, ja, und heute, da auch der Künstler Daniel Richter Mitbetreiber ist, finanziert es sich vor allem mittels einer eigenen Konzertagentur. Und genau, da gab es doch mal eine Hamburger Schule, die vor allem deutsche Texte sang! Und eine Band namens Kolossale Jugend, die „Deutschland, halt’s Maul“ forderte und Zeilen wie „Der Text ist meine Party“ dichtete, wie überhaupt die vielen tollen Bands aus Hamburg „antinationalistisch“ eingestellt waren (was auch sonst?). Und trotzdem, gibt Kristof Schreuf zu bedenken, sangen die Sterne nicht allein „Fickt das System“, sondern „Wir brauchen keine Parolen wie ,Fickt das System’“.

Kompliziert das, arg vergangenheitsselig, wie es sich allerdings für ein Klassentreffen gehört, das diese Labelnacht auf Publikums- wie Musikerseite nun mal ist – und extrem wirr, als Schreuf eine Art Musikermanifest vorzulesen beginnt (als Punkt eins führt er an: „Alle Musiker sind Wichser“). Nur gut, dass Schreuf bald die Bühne betritt, leicht geschminkt jetzt, die Körperpolitiken betonend, und zum musikalischen Teil überleitet. Allerdings lässt er das Reden weiterhin nicht, was ihm aus dem Publikum die Aufforderung „Hör auf zu labern!“ einträgt, aber bei dem inzwischen meist in Berlin lebenden Musiker nun einmal dazu gehört. Die Mischung aus Wort und Musik macht seine Auftritte einzigartig; Schreuf ist ein wandelndes Popdiskurslexikon.

Er versteht es, „Last Night The DJ Saved My Life“ mit Richard Hells „Blank Generation“ und den Stones in einem einzigen, trotzdem sehr quäkig-schreufigen Stück in schlüssige Verbindungen treten zu lassen – und er weiß, dass kein Popmusiker das große Ganze im Blick haben, nie auf der Suche nach „Wahrheit“ sein muss: „Die stellt sich irgendwann von selbst ein!“

Man kann Schreuf nicht immer folgen in seinen Ausführungen, aber klar wird: Er ist aufs Schönste und Wirrste „lost in music“, Abgrenzungsstrategien hat er nicht nötig. Damit schlägt sich lieber der Buback-Nachwuchs herum, die Hamburger Band 1000 Robota, die lang, breit und mit ein paar Gitarrenakkorden zu erklären versucht, wie Schlimmfingerbands wie Coldplay oder Nickelback auf der Emo-Klaviatur spielen. Das Problem: 1000 Robota selbst bekommen diese Gefühlslagen nicht richtig hin – erst dann kann man sich ja darüber lustig machen und sie bewusst verweigern. Ihr dunkler Rock pendelt dementsprechend unentschlossen zwischen dem Pathos-Emo-Rock der Editors und dem Schlaumeier-Postpunk von Gang of Four.

Dann lieber die seit über 30 Jahre existierenden FSK mit ihrem schön gemächlichen New Wave und Zeilen wie „Ich will doch gar nicht mehr in einen weiteren Club, nicht mehr in eine weitere dunkle Bar, ich habe Angst, ich habe doch Angst vor der nächtlichen Schar“. Oder die fast genauso lang existierenden Goldenen Zitronen mit ihrem bohrenden Punkrock, der leider so schlecht abgemischt ist, dass die Politparolen auf der Strecke bleiben und sich gerade mal ein ironisch herausgekrächztes „Munich“ Bahn brechen kann. Bei „Munich“ helfen FSK als Bläsersektion mit aus; es ist die Zitronen-Bewerbung für Düsseldorf. Zu diesem Zeitpunkt fällt schon nicht mehr auf, dass die Zitronen einen neuen Mitspieler haben: Kristof Schreuf, Wasser trinkend, Schokoriegel um Schokoriegel essend (letzter Zwischenstand: 8,5 Stück), still und selbstvergessen den Stücken lauschend. Merkwürdig sympathisch. Polittheater halt.

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