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Neues Album: Whitest Boy Alive: Ewige Sommerferien

Zwischen Club und Rumpelkeller: das neue Album von der Schluffel-Band The Whitest Boy Alive kommt ein paar Monate zu früh.

Das perfekte Timing gehört nicht zu den ansonsten unzähligen Stärken von The Whitest Boy Alive. Mit ihrem Debüt „Dreams“ veröffentlichte die norwegisch-deutsche Band im Herbst 2006 ein umwerfendes Sommeralbum, das durch sein Zuspätkommen zusätzlich die Weihen der Melancholie ob der unwiederbringlich verlorenen Zeit erhielt.

„Rules“ dagegen, das gerade erschienene Nachfolgealbum, kommt ein paar Tage, wenn nicht gar ein paar Monate zu früh. Immerhin verspricht dieses Album in dieser trüben Zeit, in der der Winter sich nur langsam verabschiedet, der ultimative Frühling aber weiter auf sich warten lässt, einen grandios langen Sommer – so schön warm und schlurfig es klingt, so schön luftig und lässig, und so schön sanft-satte Disco-Beats es mit einschmeichelndem funky Gitarrengezirpe verbindet. Und überhaupt: so herrlich überflüssig es den ganzen gängigen Frühjahrsschmock von U2 über Morissey bis Prodigy macht.

Doch muss einen das mit dem falschen Gefühl für die Jahreszeiten nicht groß wundern bei einem durch und durch globalisierten Musiker wie dem 1975 im norwegischen Bergen geborenen Erlend Øye, dem genauso unnachahmlichen wie unnachahmlich verstrahlt aussehenden Sänger, Kopf und Anführer von The Whitest Boy Alive.

Nachdem er mit seinem Schulfreund und Partner Eirik Glambeck Bøe Anfang der nuller Jahre unter dem Namen Kings Of Convenience die traumhafteste Lagerfeuermusik des Planeten produziert und dabei nicht zuletzt die gerade in England und Deutschland chartsbeherrschende „Quiet-Is-The-New-Loud“-Bewegung begründet hatte, zog es ihn schon bald nach Berlin und von hier aus in den Rest der Welt. „Unrest“ hieß dann auch ein Album von Øye, auf dem dieser sich zehn Songs von zehn Elektronik-Produzenten aus New York, Barcelona, Rom oder Helsinki produzieren ließ.

Beweglichkeit ist überhaupt das oberste Gebot für Øye als Musiker – nur nicht stehen bleiben, nur nicht immer dasselbe machen, dieselben Regeln befolgen, sondern diese immer wieder neu aufstellen. Die Band The Whitest Boy Alive, die er in Berlin unter anderem mit dem einstigen WMF-Resident-DJ Martin Öz am Bass gegründet hat, verbindet dabei Øyes Vorlieben zu Indie- und Poprock einerseits, Clubsounds andererseits. Und sie steht stellvertretend für sein Abtauchen in die aus den neunziger Jahren übrig gebliebenen Keller in Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg hier, sein forschendes Herumexperimentieren mit elektronischen Sounds dort.

Produziert wurde „Rules“ in Mexiko und Berlin, abgemischt von Musikern der befreundeten Berliner Indietronics-Bands Mina und Contriva. Was auffällt im Vergleich zum Vorgänger: Die Stücke sind noch schwungvoller, noch entspannter geworden. Sie erinnern in ihrer Ungezwungenheit noch mehr an die oft improvisierten Liveauftritte von The Whitest Boy Alive, sie wirken so, als sei an ihnen nicht lange herumgebastelt, sondern als seien sie relativ spontan eingespielt worden. Das Oberflächendesign aus House, Disco und Folk also stimmt, das passt schon beim ersten Hören wie angegossen, das ist genau die richtige Mischung aus Clubgrooves und Berliner Rumpelkeller. Doch findet sich bei mehrmaligem Hören immer mal wieder eine schöne kleine Melodie, eine hübsche kleine Tonfigur, ein smarter Gimmick.

Und nicht zu vergessen natürlich Øyes Stimme, die über alldem thront. Eigentümlich fragil und volltönend zugleich ist diese Stimme, sentimentale Stimmungen genauso heraufbeschwörend wie übersprudelnden Optimismus. Nach elf Stücken und Zeilen wie „Freedom is a possibility if you’re able to say no“ weiß man sicher, dass dieses Album demnächst aus jeder Coffee-Lounge herausschallt. Und man weiß auch, dass sich für Erlend Øye, Melancholie hin oder her, wie für weiland den göttlichen Nikki Sudden mindestens jeder Tag anfühlt, als hätte er für immer und ewig Sommerferien.

The Whitest Boy Alive: Rules (Bubbles/Groove Attack)
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