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Sound engineer, music producer or radio host workplace, Sound engineer, music producer or radio host workplace selective focus on headphones on chair, Sound engineer, music producer or radio host workplace selective focus on headphones on chair, 03.11.2022, Copyright: xNomadSoulx Panthermedia32673419.jpg

© IMAGO/Panthermedia

Popakademie-Chef Udo Dahmen: „KI wird viele Produktionsproduktionsprozesse in der Musik vereinfachen“

Udo Dahmen nimmt Abschied als künstlerischer Leiter der Popakademie Mannheim. Ein Gespräch über erfolgreiche Absolventen und den Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf die Popmusik. 

Udo Dahmen, nach 20 Jahren verlassen Sie die Mannheimer Popakademie, die Sie 2003 als künstlerischer Direktor mitgegründet und in den Folgejahren gemeinsam mit dem Business Direktor Hubert Wandjo stark geprägt haben. Was wollten Sie mit dieser Einrichtung erreichen?
Unser Hauptanliegen war es, die Berufschancen von Musikerinnen und Musikern sowie von denjenigen, die im Musikmanagement tätig sein möchten, zu verbessern. Dafür haben wir die Studierenden untereinander vernetzt. Und auch die Studieninhalte der beiden ersten Bachelor-Studiengänge – Popmusikdesign und Musikbusiness – gegenseitig geöffnet, so dass die Musiker etwas über Musikmanagement erfahren haben und umgekehrt.

Im künstlerischen Bereich galt die Maxime, dass nur eigene Kompositionen, Texte, Arrangements und Produktionen Gegenstand des Studiums sind – alleine oder in Teams. Anders gesagt: In der Popakademie werden keine Songs nachgespielt.

Haben Sie die Ziele denn erreicht?
Wir haben im Laufe der Jahre viele erfolgreiche Beispiele gesehen wie Alice Merton, Joris oder auch Konstantin Gropper von Get Well Soon. Diese drei Künstlerinnen und Künstler schreiben ihre eigene Musik, aber haben auch unternehmerisch von der Popakademie profitiert.

Alice Merton hat ihre Band und ihren Manager im ersten Semester hier kennengelernt. Ähnliches gilt für Konstantin Gropper, dessen Management an der Popakademie entstanden ist. Die gesamte Band von Joris kommt ebenfalls von der Popakademie. Und Joris wurde beim Label Four Music von Absolventen der Popakademie unter die Fittiche genommen.

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Welches sind für Sie die wichtigsten Veränderungen der Musikindustrie der letzten 20 Jahre?
2003 haben wir die freie Download-Szenerie erlebt – ich erinnere an Napster. Das führte dazu, dass die Musikindustrie zwischen 40 und 50 Prozent ihrer Umsätze verloren hat. In den Folgejahren erhielt das Live-Geschäft größere Bedeutung, weil man mit Tonträgern fast kein Geld mehr verdienen konnte.

Für uns als Popakademie war diese Entwicklung gut, weil die hier gebildeten Bands viele Auftrittsmöglichkeiten bekamen. Im Laufe der Zeit wurde Streaming immer wichtiger – heute liegt der Anteil am Gesamtumsatz bei rund 80 Prozent. Durch Plattformen wir Spotify und Social Media können sich die Musikerinnen und Musiker selbst vermarkten, was wiederum die Unternehmerseite, die wir schon immer vermittelt haben, noch wichtiger macht.

Und wie hat sich die Popmusik in Deutschland verändert seit 2003?
Der deutschsprachige Pop hat große Erfolge gefeiert – das war 2003 noch nicht abzusehen. Dass auch deutsche Künstlerinnen mit englischen Songs international ganz vorne landen könnten, zeigte Alice Merton 2016 mit ihrem Hit „No Roots“. Parallel hat sich Independent als eigenes Genre etabliert. Hip-Hop ist zu Mainstream geworden. Im Bereich der elektronischen Musik ist Deutschland sehr präsent.

Früher hat man Alben produziert und sich auch eine Gesamtdramaturgie dafür überlegt. Heute spielt der einzelne Song eine größere Rolle und es ist wichtig, in Playlists zu kommen. Das bedingt auch ein anderes Hörverhalten. Ein Song muss von Beginn an funktionieren, sonst wird geskippt. Wie gehen Sie damit um in der Ausbildung?
Wir haben ungefähr 400 Studierende, wir haben 50 Bands im Haus und rund 30 Studioteams. Wir schreiben nicht vor, welche musikalische Präferenzen die oder der einzelne haben sollen. Die Phänomene aber müssen wir beschreiben und erklären. Die Entscheidung, ob ich mich in diesen Streaming-Zirkus hineinbegebe oder nicht, bleibt beim Studierenden.

Die Entscheidung, ob ich mich in diesen Streaming-Zirkus hineinbegebe oder nicht, bleibt beim Studierenden.

Udo Dahmen

Geht die Ausbildung an der Popakademie in Mannheim, die ganz bewusst marktorientiert gehalten ist, nicht zu Lasten der Individualität?
Keineswegs. Jede unserer 50 Bands spielt ein 40-minütiges Abschlusskonzert im Sommer. Da ist von Hardcore über Hip-Hop und Songwriter über Elektronik alles dabei. Das Wissen über den Mainstream-Markt ist ja nicht hinderlich. Ich kann mich immer entscheiden, was ich mache. Timo Kumpf, der Bassist von Get Well Soon, hat hier am Haus studiert und mit dem Maifeld Derby ein großes Independent-Festival ins Leben gerufen. Den Vorwurf, vor allem Mainstream zu produzieren, haben wir immer wieder gehört. Er ist aber nicht stichhaltig.

Die Popakademie hat kommerziell erfolgreiche Künstler und Bands hervorgebracht wie Joris, Max Giesinger und Revolverheld. Pathos ist wieder in. Inwieweit war die Popakademie auch Trendsetter für Entwicklungen in der gesamten deutschen Popszene?
Hier wurden schon viele Dinge ausprobiert, die dann eine größere Ausstrahlung bekamen – auch durch die Vernetzung, die wir hier betreiben. Max Giesinger hat selbst zwar nicht an der Popakademie studiert, seine komplette Band aber schon. Max war bei uns im Bandpool dabei, sodass er mit seiner Band 18 Monate lang durch unsere Workshops gefördert wurde – und zwar in der Richtung, in der er bereits unterwegs war. Ähnliches gilt für Bands wie Revolverheld, ClockClock oder Betterov.

In Sachen Künstliche Intelligenz ist im Augenblick Chat GPT das große Thema in der öffentlichen Diskussion. Welche Rolle spielt KI derzeit in der Popmusik?
Natürlich findet sich KI schon an vielen Stellen im Musikbereich. Das Notenprogramm „Sibelius“ zum Beispiel schlägt zu bestimmen Melodien verschiedene Arrangements vor – das geht mit einem Click. Wir haben von der Rekonstruktion der 10. Symphonie von Ludwig van Beethoven gehört und von den neuen Oasis-Songs, die durch KI mit den Stimmen der Gallagher-Brüder hergestellt wurden. Rechtliche und ethische Fragen müssen hier aber noch geklärt werden.

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Welche Chancen bietet KI für die Popmusik – und welche Gefahren?
Viele Produktionsprozesse werden sich durch KI weiter vereinfachen, gerade bei den Arrangements. Es wird auch noch einfacher werden, einen Mainstream-Song nachzubauen nach den Erfahrungen, die man bereits gemacht hat. Das führt natürlich zu mehr vom Gleichen. Und hat keinen künstlerischen Impact mehr.

Das Gefühl dafür, warum ich einen bestimmen Text auf eine spezielle musikalische Art und Weise vertone, besitzt die KI nicht. Dazu kommt, dass sich in der Kunst kreativrevolutionäre Dinge tun, die genau anders sind, als man es erwarten würde. Rock ‘n‘ Roll, die Beat-Musik der 60er-Jahre, Punk, Hip-Hop, elektronische Musik sind das Gegenteil von stromlinienförmig. Uns an der Popakademie geht es darum, genau dieses Potenzial zu fördern.

Welchen Tipp haben Sie an eine junge Band in Deutschland?
Was ist besonders an Euch? Wie schafft Ihr es, das Besondere herauszuarbeiten? Was kann in diesem Zusammenhang auch musikalisch weggelassen werden? Wer übernimmt welchen Job in der Band, organisatorisch und musikalisch? Gibt es Leute im Umfeld, die Social Media, PR und das Booking für Euch machen?

Das sind ja gleich mehrere Tipps.
Das war eben zwanzig Jahre lang mein Job.

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