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Herbert Grönemeyer, 67, ist der Duracell-Hase des deutschen Pop. Unentwegt fordert er zum Armwedeln auf und erteilt Mitklatschbefehle. 

© dpa/Axel Heimken

Herbert Grönemeyer im Konzert: In der Unruhe liegt die Kraft

Bei seinem Auftritt in der Berliner Mercedes-Benz-Arena zeigt sich Herbert Grönemeyer als begnadeter Entertainer.

Kurz vor Schluss, die ersten Zugaben sind verklungen, wendet sich Herbert Grönemeyer noch einmal direkt an sein Publikum. „Das ist ein wunderbarer Abend, Danke sehr!“, ruft er in den Jubel. Das mag wie eine Höflichkeitsfloskel klingen, aber es bleibt der Eindruck, dass der Sänger von diesem Konzert tatsächlich genauso emotional bewegt ist wie seine Zuhörer.

Gerade hat er seinen Hit „Zeit, dass sich was dreht“ gesungen, den er zur Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land von 2006 geschrieben hat. Es ist ein Carpe-diem-Aufruf mit Zeilen wie „Wer jetzt nicht lebt, wird nichts erleben“. Die beiden sich zu einer Umarmung öffnenden Hände, die das Cover von Grönemeyers neuem Album „Das ist los“ zieren, sind grafisch etwas plump gestaltet. Doch bei seinen Konzerten ging es schon immer darum, ein Gemeinschaftsgefühl zu stiften, weil gegen die multiplen Krisen der Gegenwart nur ein Wärmestrom der Solidarität helfen kann.

Rund 13.000 Besucher sind in die nicht ganz ausverkaufte Mercedes-Benz-Arena gekommen. Grönemeyer kann es sich leisten, die handelsübliche Dramaturgie eines Konzertabends auf den Kopf zu stellen und mit der Wehmutsballade „Tau“ zu beginnen, bei der er ganz allein am weißen Klavier sitzt und von Schönheit und Schmerz singt. Normalerweise wäre so etwas ein Rausschmeißer zum Finale.

Allerdings folgt sogleich das von der achtköpfigen Band lärmend instrumentierte Gaga-Manifest „Das ist los“, eine Art Elektro-Polka mit Humptata-Rhythmus, bei der Grönemeyer Schlagworte aus den Nachrichten aneinanderreiht: „Bankenkrise, Emirat / Schuldenbremse, Windradpark“. Im Refrain hält er zur Frage „Was ist los?“ das Mikrofon in die Menge, die korrekte Antwort lautet: „Das ist, was ist los“.

Grönemeyer will sich nicht auf alten Lorbeeren ausruhen, er spielt 11 der 13 Stücke des aktuellen Albums, das zu großen Teilen in Umbrien entstanden ist. Wirklich im Ohr hängen bleiben von den Songs der Platte nur wenige, oft klingen die Beats ein wenig gestrig. Herausragend ist nur „Deine Hand“, ein Loblied auf Empathie und Fürsorge, dessen Text Grönemeyer mit der Berliner Sängerin Balbina Jagielska geschrieben hat. „Deine Hand“ wird ein Höhepunkt des Konzerts, genau zur Zeile „Deine Hand, sie schiebt in Liebe meine Hand an“, setzen Bass und Schlagzeug ein. 

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„Das ist los“ ist das erste Studioalbum von Grönemeyer, das es nicht auf den ersten Platz der deutschen Charts schaffte, seitdem er mit 1984 mit „4630 Bochum“ den Durchbruch zum Lieblingssänger der Nation erlebt hatte. Was aber auch daran lag, dass am selben Tag eine herausragende Platte von Depeche Mode herauskam.

Auch mit 67 Jahren bleibt Grönemeyer ein begnadeter Entertainer, er absolviert den Auftritt mit der Energie eines Hochleistungssportlers. Bei der krautrockig pluckernden, dramatisch aufbrausenden Selbstbefragungs-Ballade „Bist du da“ vom 2018er Album „Tumult“ steht er am Synthesizer inmitten seiner Band, um dann passend zu „Kopf hoch, tanzen“ wieder loszustürmen auf den Laufsteg, der in den Innenraum der Arena ragt.

Ich bin vom Typ her relativ unschlagbar und sehe nach so langer Zeit immer noch extrem gut aus

Herbert Grönemeyer

Grönemeyer ist der Duracell-Hase des deutschen Pop. Er hüpft und sprintet, interagiert unermüdlich mit den Fans, lässt angebrochene Zeilen von ihnen zu Ende singen, fordert zum Armwedeln auf und erteilt Mitklatschbefehle. Zum lässigen Groove der Liebeshymne „Herzhaft“, deren minimalistische Melodie an Kraftwerk erinnert, gibt er sogar den Tanzlehrer, zeigt die Schritte zu einem „Schulterwalzer“. „Ich sag, wann’s losgeht!“, ruft er, und die halbe Halle tanzt mit. Dabei kann Grönemeyer, wie einst der Kritiker Wiglaf Droste befand, doch eigentlich gar nicht tanzen.

Nach fünf Songs hat der Sänger sein erstes Hemd durchgeschwitzt, es folgt eine Coverversion des „Steigerlieds“, die „Bochum“ ankündigt, seinen Herzens- und Heimathit, der auf Synthiewolken hereinschwebt. Den Refrain „Bochum, ich komm’ aus dir“ singen tausende Berliner mit. Fieserweise hat Grönemeyer den „Bochum“-Text anlässlich des Abstiegs eines Bundesligisten ein wenig aktualisiert: „Machst mit ‘nem Doppelpass die Hertha nass / Du und dein VfL“.

Natürlich spielt Grönemeyer noch weitere Klassiker wie „Männer“, „Mensch“, „Alkohol“ und „Flugzeuge im Bauch“. Am Ende, nach fast drei Stunden und mehr als 30 Liedern, sitzt er wieder allein am Piano und singt die Abschiedsballade „Immerfort“. „Legt nach, liebt euch jeden Tag“, lautet sein Ratschlag.

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