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Mickey Mahar in „Contraption“: Die Installation wurde für das oktogonale Gehäuse des Schinkel Pavillons konzipiert.

© Frank Sperling

Pope.L im Schinkel Pavillon: Kunst wie aus einem Horrorfilm

Der US-Künstler Pope.L zeigt im Schinkel Pavillon sein offensives Werk, das sich mit Superhelden, Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzt.

Betriebsam und laut geht es im Schinkel Pavillon zu. Im verglasten Achteck des Kunstvereins werden Holzmodelle geschreddert. Es hagelt Späne aus dem wuchtigen Häcksler, die Holzreste häufen sich. Nichts wird bleiben, wie es war. Die Kartoffeln, die man überall in der ersten Berliner Soloschau von Pope.L sieht, sind silbern angestrichen. Keimen werden sie trotzdem.

„It’s one of my personal jokes“, bemerkt der US-Künstler zu den eingefärbten Knollen, die im Treppenhaus herumliegen und im Untergeschoss Häufchen bilden, aus denen Licht glimmt. Erklärungen zu seinen absurd, mitunter komisch und oft apokalyptisch wirkenden Objekten und Aktionen liefert Pope.L natürlich nicht. Es komme auf den Resonanzraum an, erklärt der Künstler, und den schaffe sich das Publikum.

Skulpturen, gemalte Bilder, ein Video in Horrorästhetik, Maschinenmusik, die Oktogon-Installation plus Performance: Seit vier Jahrzehnten produziert der 1955 in New Jersey geborene (William) Pope.L Werke in allen möglichen Formaten. Seine „Crawls“ machten ihn ab den späten 1970ern bekannt, eine Serie von Performances, bei denen der Afroamerikaner im Superman-Kostüm oder Business-Anzug durch Manhattan kroch.

Resonanz- und Zwischenräume, zerrissene Gesellschaften, Rassismus und Gewalt: Bei Pope.L geht es immer wieder um Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht und Klasse. Wenn man „Figure“ mit „Person“ übersetzen darf, spielt auch der Berliner Ausstellungstitel „Between A Figure And A Letter“ auf die Macht von Zuschreibungen an. In den unteren Räumen sind Werke der Serie „Skin Set Drawings: The Space Between the Letters“ zu sehen. Pope.L hält uns auf Abstand zu seinen dämmrig beleuchteten Zeichnungen, die durch Luken zu betrachten sind. Manche Miniatur bleibt sogar hinter einer Silberfolie verborgen, die der Künstler auf einen türgroßen Rahmen gespannt hat. Wo man die Zeichnungen vermutet, sind Holzpfähle hineingerammt wie in einem Slasher-Film.

Der Sturm aufs US-Kapitol als Fanal

Die Installation oben ist ortsspezifisch, nicht bloß eingepasst in das oktogonale Gehäuse des Schinkel Pavillons, der von Richard Paulick zu DDR-Zeiten als doppelte Hommage ans Bauhaus und den Klassizismus entworfen wurde. Pope.L hat ein Ambiente geschaffen, das seltsam zwischen Architekturbüro und Sägemühle changiert. Ein:e Performer:in rappt an diesem zwiespältigen Ort über Berliner Architektur(-Sünden), legt ein kleines Tanzsolo ein und schiebt dann die Holzmodelle in den Schredder.

(Schinkel Pavillon, Oberwallstr. 32, bis 31. Juli, Do-Fr 14-17 Uhr, Sa+So 11-19 Uhr)

Die orangefarben lackierte Zerstörungsmaschine wirkt unnötig monströs. Der Titel der Installations-Performance lautet „Contraption“, was eine Apparatur unbekannter Funktionsweise bezeichnet. Absurd erscheint auch die Tatsache, dass die frisch in Serie geschreinerten und in einem Regal gelagerten Holzmodelle – zusammengefügt aus Pavillon-Achtecken sowie Elementen von Schinkels Neuer Wache und des Humboldt Forums hinter der Stadtschlossfassade – flugs wieder im Riesenhäcksler landen. Ein Angriff auf die Architektur gewordene Macht und Hybris Preußens und des deutschen Kaiserreichs? Ein spöttischer Hinweis darauf, dass der Weg vom Reißbrett zur Abrissbirne in Berlin mitunter kurz sein kann?

Im Keller wird das Bild jedenfalls noch mal klarer. Dort, auf einer Videowand, machen sich Hühner und Ziegen über ein dem US-Kapitol ähnliches Architekturmodell her. Das von Pope.L im Jahr 2008 im Stil eines Horrorfilms geschnittene und vertonte Video „Small Cup“ – der Titel eine Anspielung auf die Kuppel des Gebäudes – fügt der Installation eine weitere Bedeutungsebene hinzu. Automatisch kommen hier unten die apokalyptischen Bilder der Erstürmung des echten Kapitol in Washington im Januar 2021 in den Sinn. Um den Bestand von demokratischen Institutionen müssen wir uns definitiv mehr Sorgen machen als um die Zerfallszeit von Gebäuden mit Kuppeln, deren Sinn und Zweck, nun ja, nicht unbedingt auf der Hand liegen.

Jens Hinrichsen

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