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Gut gealtert. Palais Schomburg in der Volksbühne.

© Simon Hegenberg

Palais Schaumburg: Quietschfidel

Unvergleichlich: Die Deutschpop-Veteranen Palais Schaumburg spielen ein Konzert in der Volksbühne.

Manche Bands gehen verloren, und manche, die man verloren glaubte, tauchen plötzlich wieder auf. So wie Palais Schaumburg, die Künstler-Pop-Band aus Hamburg, die neben Fehlfarben, DAF und Der Plan zu den Wegbereitern einer ursprünglich originellen Musik gehört, die später als Neue Deutsche Welle in die Hitparaden schwappte. Seit einigen Jahren kommen die NDW-Veteranen wieder in der Urbesetzung ihres ersten Albums von 1981 zu einzelnen Konzerten zusammen. Wenn man sieht, wie ungeniert die vier älteren Herren beim Auftritt in der gut gefüllten Volksbühne das Publikum an den Ohren packen und „Morgen wird der Wald gefegt!“ krähen, klingt es noch immer nach jungen Männern, die den täglichen Überlebenskampf in surrealen Humor und Lust am Tanzen übersetzen.

Mit kleinen Gesten und ungebrochener Energie bestimmt der spillerige Sänger Holger Hiller die Brüche in der Musik. Fröhlich springt er über die Bühne, schlägt in die Gitarrensaiten, fiept am Synthesizer und singt mit aufgekratzter Stimme vom „Tiger an der Pampel-Ampel“ oder „Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm“, während die Kollegen mit der Souveränität, mit der andere Leute Milchtüten aufreißen, die Kulisse für ihren Frontmann bauen: Thomas Fehlmann wechselt vom Klimperkeyboard zu dissonanten Synthie-Sounds und stakkatoartigen Trompetenstößen, die durch dubbige Effekte erweitert werden. Timo Blunck, der seine Band-Erlebnisse in dem Pop-Roman „Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?“ verarbeitete, blubbert trotz ausgerenkter Schulter eindrucksvoll mit seinem mächtigen Booga-Booga-Bass, und das kantige Schlagzeugspiel von Ralf Hertwig liefert ein solides Fundament für diesen quietschfidelen Nostalgie-Trip.

Der Sound funktioniert immer noch

Neben einem neuen Stück spielen sie fast das komplette erste Album plus der frühen Singles. Den Text von „Deutschland kommt gebräunt zurück“, in dem es um deutsche Urlauber geht, hat Hiller umgeschrieben, weil der Titel „heutzutage etwas irritierend wirkt“. Weitere Höhepunkte sind „Gute Luft“, „Rote Lichter“ und natürlich der ewige Instant-Hit „Wir bauen eine neue Stadt“, den sie aus einer Kinderoper von Paul Hindemith geklaut haben und später nochmal als Zugabe spielen. Dabei wird deutlich, dass dieser Wilhelm-Busch-trifft-New-Yorker-Avantgarde-Funk-Verschnitt auch nach knapp 40 Jahren zum Wunderbarsten gehört, was einem als „Deutsche Popmusik“ vorgeführt werden kann. Musik, die ans Tanzbein kickt und noch immer neu tönt, weil ihre Radikalität und ihr Einfallsreichtum noch heute unvergleichlich sind.

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