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Radu Lupu

© Matthias Creutziger

Radu Lupu in Berlin: Spitzbube und Zen-Meister

Der Pianist Radu Lupu begeistert im Kammermusiksaal mit Werken von Brahms, Beethoven, Mozart und Schubert.

Radu Lupu kommt einfach rein und fängt an. Klingt banaler als es ist. Denn die Abwesenheit jeglicher Starallüren, das Verweigern der „Show“ sind konstitutiv für diesen Pianisten und seine Kunst. Wir alle, er selbst eingeschlossen, sind nur Gast vor dem Werk. In merkwürdigem Gegensatz steht das zu seiner markanten Erscheinung, dem mächtigen, weißhaarumflorten Haupt. Radu Lupu – ein Weltweiser, der sehr gut in den Wagner’schen Opernkosmos passen würde.

Restlos bei sich, presst er die Tasten sanft und zärtlich, als seien sie aus Zucker. Aus tiefer Meditation heraus entwickelt er Brahms’ „Variationen über ein eigenes Thema“, mit einer Ästhetik, die nicht überwältigt oder überrumpelt, sondern sich unaufdringlich anschmiegt. Die nicht an der Vordertür hämmert, sondern durch den Garten kommt, aber dafür umso nachhaltiger wirkt. Wie ein Wein, der erst im Abgang zeigt, was er kann. Aber nichts an Lupus Spiel ist balsamisch oder weihevoll-leer, jeder Ton bewusst gesetzt.

Beethoven macht er mit gedehnten Tempi zum Zen-Meister, findet in den „32 Variationen über ein eigenes Thema“ zu beinahe Satie’scher Reduziertheit im Ausdruck. Legt aber immer wieder auch falsche Fährten, schockiert mit plötzlichen Forte-Eruptionen, spinnt eigenwillige Spannungsbögen mit viel Rubati.

Variationen waren im 18. und 19. Jahrhundert beliebt, weil sich mit ihnen kompositorische Brillanz demonstrieren und ein Thema bis zur Belastungsgrenze austesten ließ. Mozart hat dabei gerne bei Kollegen geräubert. Seine „Variationen über ein Menuett von Jean-Pierre Duport" wirken, als wollten sie das „Amadeus“-Klischee bestätigen: ein unbekümmertes Thema wird genialisch verarbeitet, der ursprüngliche Schöpfer verblasst. Radu Lupu macht sich mit entsprechender Spitzbübigkeit daran, seine Rechte perlt in heiter-taghellen Sphären. Dann Schuberts Klaviersonate G-Dur D 894, geschrieben kurz vor den letzten drei großen Sonaten. Lupu bürstet den langen, vom Charakter her eigentlich verträumt spintisierenden Kopfsatz gegen den Strich. Gestaltet ihn als kleines Weltendrama, ein Panorama aus Aufbäumen und – im Hauptthema – Verdämmern. Traum und Albtraum, niemand wusste das besser als Schubert, liegen oft nur einen Wimpernschlag auseinander.

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