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Erfand einst die Generation X. Der Schriftsteller Douglas Coupland, 49. Foto: Mauritius

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Roman: Douglas Couplands Blick in die Zukunft

Sein Thema ist die Sehnsucht nach Liebe, die Unfähigkeit zu lieben, die selbst gewählte Einsamkeit im digitalen Zeitalter: Douglas Couplands Roman "Generation A".

Es war am 8. Mai 1994, genau einen Monat nach dem Selbstmord der Grunge- und Generationsikone Kurt Cobain, als der inzwischen ebenfalls verstorbene Schriftsteller Kurt Vonnegut eine Rede vor Absolventen der Syracruse University im US-Bundesstaat New York hielt. Unter anderem machte er sich darin über seine Zuhörer lustig, die glaubten, einer bestimmten Generation anzugehören, der Generation X. „Tja“, sagte Vonnegut, „die Medien leisten uns alle einen unschätzbaren Dienst, wenn sie euch Generation X nennen. Nur zwei Klicks weiter ist das Alphabet schon zu Ende. Ich erkläre euch hiermit zur Generation A und stelle euch damit an den Anfang einer ebenso langen Reihe spektakulärer Errungenschaften und Reinfälle wie einst Adam und Eva.“

Geholfen hat diese Kritik an medialen Generationskonstrukten nichts. In der Folge sollte es eine Inflation von neuen Generationen geben, die etwa „Y“ oder hierzulande „Golf“ oder „Umhängetasche“ hießen. Der kanadische Schriftsteller Douglas Coupland aber hörte sich die Worte Vonneguts genau an. Was nicht weiter erstaunlich ist, schließlich war er es, der 1991 der Generation X mit einem Buch den Namen und eine Identität gegeben hatte: einer gut ausgebildeten, aber passioniert orientierungslosen Generation, später gern als Slacker oder Loser bezeichnet. Coupland wurde zum Kultautor, ließ ähnliche Bücher folgen („Generation Y“, „Microsklaven“), wandte sich dann aber erfolgreich dem Familienroman zu, mit einer Vorliebe für verkorkste Durchschnittsfamilien. Trotzdem muss ihm die von Vonnegut kreierte Allerweltsgeneration stets im Kopf herumgespukt haben, hat Coupland doch nun einen Roman mit dem Titel „Generation A“ geschrieben, dem Vonneguts Worte neben einem Zitat von Malcolm McLaren vorangestellt sind.

Coupland wirft darin einen Blick in eine Zukunft, die gar nicht so weit weg erscheint. Die Bienen sind ausgestorben, der Planet ist hochtechnisiert und voller Informationsflüsse. Die Menschheit steht unter dem Einfluss einer neuen Wunderdroge namens Solon, einem „Gegenmittel zum täglichen Trommelfeuer elektronischer Informationen“, das ruhig, aber einsam macht. Eines Tages aber werden auf verschiedenen Kontinenten fünf junge, durchaus eigenwillige, durchaus durchschnittliche Menschen jeweils von einer Biene gestochen. Sofort, so will es Coupland, werden die fünf geortet, gefangengenommen, untersucht, isoliert und schließlich gemeinsam auf eine abgelegene Insel verfrachtet.

Spätestens als die fünf auf der Insel hocken und einander unter Anleitung eines fiesen, nur an die Wunderdroge denkenden Wissenschaftlers Geschichten erzählen sollen, denn „ohne Geschichten ist unser Universum nichts als Steine, Wolken, Lava und Dunkelheit“, spätestens hier läuft „Generation A“ komplett aus dem Ruder. So lebendig Coupland eine bienenlose Welt und seine Bienenstichgeschichten noch zu schildern weiß, so öde und unsinnig sind dann die zahllosen Erzählungen der fünf Inselgefangenen, die Titel wie „Der Prediger und seine heimliche Fickschlampe“ tragen oder: „Coffinshark, der Unerfreuliche, trifft auf das Stadium der Qual“.

Douglas Couplands Thema ist die Sehnsucht nach Liebe, die Unfähigkeit zu lieben, die selbst gewählte, selbst verschuldete Einsamkeit im digitalen Zeitalter – und nicht zuletzt geht es ihm um Menschen, die ihre Geschichte und ihre Fähigkeit zum Erzählen verloren haben. Nur hat sein Roman nicht mehr als fragmentarischen Charakter, als könne Coupland seinerseits keine guten, konsistenten Geschichten mehr erzählen.

„Aus dem Nichts ist man wer, alle reden über einen. Mach eine gute Geschichte draus, die man verkaufen kann“, lautet das Zitat des Punk-Impresarios Malcolm McLaren zu Beginn des Romans. Douglas Coupland hat genau das vor zwanzig Jahren getan. Auch die Ideen seines neuen Romans sind vielversprechend – nur für eine gute, gut verkäufliche Geschichte hat es nicht gereicht.

Douglas Coupland: Generation A. Roman. Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Tropen

Verlag, Stuttgart 2010. 333 S., 19,95 €.

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