zum Hauptinhalt
F. Scott Fitzgerald im Jahre 1926 auf dem Höhepunkt seines Ruhmes.

© AFP

Romane über F. Scott Fitzgerald: Ich bin noch nicht fertig

F. Scott Fitzgerald schrieb große Geschichten und lebte ein wildes Leben zwischen Glamour und Kaputtness. Zwei Romane beleuchten die Anfänge seines Abstiegs und seine letzten Jahre als Drehbuchautor in Hollywood.

Als sich F. Scott Fitzgerald im Sommer 1937 das dritte Mal in seinem Leben auf den Weg nach Hollywood machte und mit dem Zug in Los Angeles ankam, nahm kein Mensch davon groß Notiz. „Beim ersten Mal“, heißt es in Stewart O’ Nans Roman „Westlich des Sunset“, „hatte er triumphal in die Stadt Einzug gehalten, das goldene Wunderkind und seine Flapper-Braut, hatte beim Aussteigen aus dem Zug Autogramme gegeben und mit Zelda für die Kameras posiert. Beim letzten Mal, nach dem Crash, erholte sie sich in Montgomery, und er war in Pasadena ausgestiegen, um den Reportern zu entgehen.“

Das erste Mal, das war Anfang des Jahres 1927, als Fitzgerald auf dem Höhepunkt seines Ruhms ein Drehbuch für die Filmgesellschaft United Artists schreiben sollte – woraus letztendlich genauso wenig wurde wie bei seinem zweiten Hollywood-Aufenthalt im Oktober 1931, da er abermals den Auftrag erhielt, nun aus dem Hause Metro-Goldwyn-Mayer, den Roman einer Kollegin zu einer Filmfassung umzuarbeiten.

Doch beide Fehlschläge bescheren ihm keine größeren Zweifel, er ist schließlich Romancier und Kurzgeschichtenautor. Selbst 1931 geht es ihm ähnlich wie dem Erzähler seiner meisterhaften, auf dem zweiten Hollywood-Aufenthalt basierenden Kurzgeschichte „Verrückter Sonntag“, dem gleichfalls scheiternden Drehbuchautor Joel Coles: „Er hatte es nicht nötig, sich irgendwo anzubiedern oder sich unter die Fittiche der Prominenten, die er rings erblickte, zu flüchten.“

Nach dem Tod wiederentdeckt

1937 jedoch ist Fitzgerald mehr oder weniger am Ende, körperlich, finanziell, künstlerisch; ein gerade mal wieder erfolgreich trocken gelegter Alkoholiker, der mit den „Crack-Up“-Essays in der Zeitschrift „Esquire“ seinen kreativen Offenbarungseid geleistet hat und nun froh ist, abermals einen Job in Hollywood zu bekommen, um seine Schulden begleichen zu können.

Als Sheilah Graham, die Klatschreporterin und Lebensgefährtin bis zu seinem Tod am 21. Dezember 1940, ihn erstmals sieht, erinnert sie sich gut an seine große Zeit, aber auch an die Eskapaden von Fitzgerald und seiner Frau Zelda: „Ich hatte sogar seinen Namen schon in meiner Kolumne verwendet. Wenn ich Frauen ihres albernen Benehmens wegen tadeln wollte, beschrieb ich sie als passé, als altmodische F.–Scott-Fitzgerald-Figuren, obwohl ich niemals von ihm etwas gelesen hatte“, heißt es in ihren „Furchtlosen Memoiren“.

Passé jedoch war F. Scott Fitzgerald paradoxerweise nur zu Lebzeiten; seine Wiederentdeckung setzte nur wenige Jahre nach seinem Tod ein, beginnend mit der posthumen Veröffentlichung des Romanfragments „Der letzte Taikun“ und einer zweiten Verfilmung des „Großen Gatsby“ 1949; vor allem aber in den fünfziger Jahren mit der Wiederveröffentlichung von Erzählsammlungen und mit ersten Biografien, darunter Grahams Memoiren.

Faszination für Fitzgeralds bleibt

Wie es scheint, ist die Faszination für Fitzgeralds Literatur und insbesondere sein Leben zwischen Glam und Kaputtness weiterhin groß. Seine Romane, Erzählungen und selbst einzelne Sätze versprechen gleichermaßen Halt für die Gegenwart und ewige Gültigkeit. Sätze wie „In einem amerikanischen Leben gibt es keinen zweiten Akt“, den gerade Benjamin von Stuckrad-Barre in seiner Autobiografie „Panikherz“ vor dem Hintergrund eigener Drogen-Malaisen diskutiert hat und der auch O’ Nans Buch „Westlich des Sunset“ über die letzten dreieinhalb Lebensjahre Fitzgeralds voransteht; Sätze wie „Nichts war ausgeschlossen, alles fing eben erst an“, aus der erwähnten Erzählung „Verrückter Sonntag“, die O’ Nan als zweites Motto verwendet. Oder einer aus der Erzählung „Wiedersehen mit Babylon“, von dessen Drehbuch Fitzgerald ebenfalls wieder abgezogen wurde: „Er glaubte fest an den Charakter und wollte sich um eine ganze Generation zurückversetzen und auf ihn als das einzig Wertvolle im Menschen bauen. Alles andere hatte keinen Bestand.“

Neben O’ Nan hat sich auch die österreichisch-britische Autorin Emily Walton mit einem Abschnitt in Fitzgeralds Leben beschäftigt. Sie schreibt über den Sommer, den Scott und Zelda 1926 an der Côte d’Azur verbrachten, in der Villa St. Louis in Juan-Les-Pins, nicht weit entfernt von ihren Freunden, dem Ehepaar Sara und Gerald Murphy. „Der große Gatsby“ läuft am New Yorker Broadway, die Filmrechte sind angefragt, ein weiterer Band mit Kurzgeschichten ist erschienen, und Fitzgerald, gerade dreißig Jahre alt geworden, beginnt in Südfrankreich mit einem neuen Roman, den er acht Jahre später erst beenden wird, „Zärtlich ist die Nacht“.

Emily Walton geht es um erste Anzeichen des Fitzgerald-Abstiegs, der „in gewisser Weise im Sommer 1926 mit den fliegenden Weingläsern, den Beleidigungen und kühnen Dummheiten begann“. Allein der Titel ihres Buchs, „Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte“, deutet es an: Die Eskapaden stehen im Vordergrund, die brüchiger werdende Beziehung, das Zusammenspiel von Dekadenz, Snobismus, Arbeit, Streit und Freundschaft. Zudem spielen Sara und Gerald Murphy eine weitere Hauptrolle – und Südfrankreich und die Villen der Fitzgeralds und Murphys. Im Epilog erfährt man vom weiteren Schicksal der Ehepaare sowie das ihrer Anwesen, die jetzt Fünf-Sterne-Hotels sind.

Zwei sehr unterschiedliche Annäherungen

Während Emily Walton grundsätzlich im Biografischen verharrt, stilistisch manchmal nahe am Kitsch, versucht O’ Nan sich an einer Art Porträt des Meisters in seinen letzten Lebensjahren. Und auch an einem Hollywood-Porträt jener prekären Nachdepressions- und Vorkriegszeit, mit seinen Studios und den Stars, denen Fitzgerald in jener Zeit begegnete: von Humphrey Bogart über Greta Garbo bis zu Shirley Temple, von anderen dort angestellten Autorinnen und Autoren wie Dorothy Parker oder Aldous Huxley. „Westlich des Sunset“, das ist lobenswert, ist kein Fitzgerald-Roman-Remake. Und O’ Nans Hauptfigur ist kein Fitzgerald, der einem Fitzgerald-Roman entsprungen ist, sondern ein oft nüchtern gezeichneter, pathosfreier, arbeitsamer und pflichtbewusster Autor in seinen – nach heutigem Verständnis – besten Jahren. Der diese aber ganz offensichtlich hinter sich hat und zu gelegentlichen Alkoholexzessen neigt, die Stewart O’ Nan nicht übermäßig betont, eher beiläufig abhandelt.

Auffallend ist Scotts Sorge um seine Tochter und auch um die Immer-noch-Ehefrau. Er kommt für Zeldas Behandlungskosten auf, stets in dem Bewusstsein, dass ihre Beziehung am Ende ist, ihre große gemeinsame Zeit sowieso. Und doch scheint genau dies das Band zu sein, das die beiden nach wie vor zusammenhält: „Er fragte sich, wie Zelda das Ganze bewältigt hatte“, heißt es einmal über Scotties Uni-Abschlussfeier, „und hoffte, dass Scottie glücklich war.“

Manchmal hat man den Eindruck, dass O’ Nan eine Idee zu zurückhaltend ist, seinen Stoff auch zu inszenieren. Er hält sich an die Chronologie und will trotz der kurzen Lebensspanne seines Helden dessen viele Aufs und Abs (auch in der Beziehung zu Sheilah Graham) getreulich unterbringen. Die Halbdistanz, in der O’ Nan sich zwangsläufig befindet, wirkt manchmal störend; oft ist unklar, ob nun der Autor spricht oder er sich in Fitzgerald einfühlt. Stewart O’ Nan ist fast zu nobel, zu korrekt.

Er war noch nicht fertig

Aber in Fitzgeralds Todeskampf lässt er diesen einen letzten, ebenso hilflosen wie schönen Gedanken denken: „Ich bin noch nicht fertig“. Dabei fühlt man sich erinnert an eine der letzten Stories des Schriftstellers. Darin trifft sich ein gewisser Donald in „drei Stunden zwischen zwei Flügen“ mit einer Exfreundin und erkennt, nachdem er „wie ein Verrückter“ kurz unsicher war, ob er nun ein kleiner Junge oder ein Mann von über dreißig ist, „dass man sich in der zweiten Hälfte des Lebens nach und nach von vielen Dingen trennen muss.“ Für den gerade einmal 44-Jährigen F. Scott Fitzgerald war es gleich das ganze Leben.

Stewart O’ Nan: Westlich des Sunset. Roman Aus dem amerikanischen Englisch von Thomas Gunkel. Rowohlt Verlag, Reinbek 2016. 415 Seiten, 19, 95 €.Emily Walton: Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte. Braumüller Verlag, Wien 2016. 166 Seiten, 19, 90 €.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false