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Kultur: Rückblick: Walzerwitz (Jazz)

Es war einmal ein Schweizer, Mathias Rüegg mit Namen, der hatte gute Ohren und große Melodien im Kopf. Er hauste in Wien, doch die Wiener machten ihn ganz einsam.

Es war einmal ein Schweizer, Mathias Rüegg mit Namen, der hatte gute Ohren und große Melodien im Kopf. Er hauste in Wien, doch die Wiener machten ihn ganz einsam. Also suchte er sich drei Hände voll Musikanten und gründete das Vienna Art Orchestra. Ein anarchistischer Haufen war das, der mit Wiener Schmäh durch Dixieland marschierte und sich in seiner Traurigkeit mit Jazzrock tröstete. Einer sagte: "Das ist ja postmodern!", und fortan zitierten und pastichierten sie mit großem Eifer. Bis, eines Tages, die Musik nicht mehr wollte: Sie hatte sich ausdekonstruiert. Das Märchen war zu Ende. Und aus dem Vienna Art Orchestra wurde eine der besten Big Bands Europas. Das hat das Ensemble zwei Abende lang im Tränenpalast bewiesen, nun, da es 25 Jahre alt ist und die meisten der Gründerväter ersetzt hat durch Musiker, die kaum älter sind als die Band selbst. Das erste Konzert: Ein dicht gewobenes Medley des Bandrepertoires. Passt alles. Der bombastische Klang der Blech- und Holzbläser, der nicht von Lautstärke, sondern vom Volumen kommt: pure Energie. Der großzügige Raum für Solisten, ob für den coolen Saxofonisten Andy Scherrer oder den wilden Posaunisten Christian Muthspiel: einnehmende Individualität. Die Walzer-Witze von Bassist Georg Breinschmid und Trompeter Thomas Gansch: unverbrauchte Fröhlichkeit. Da konnte der zweite Abend - ein aberwitziger Versuch, sich durch die gesamte Jazzhistorie zu spielen - nur abfallen. "Subjektiv" wollte Rüegg Geschichte schreiben, doch dem Programm fehlten die Überraschungen. Erst als sich die Band den Siebzigern näherte, fand sie zur Stimmigkeit des ersten Abends zurück. Alt werden müsste man wie das Vienna Art Orchestra: Es wird besser, mit jedem Jahr.

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