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Umwerfend. Lorde in Berlin.

© dpa

Lorde in Berlin: Ruhm und Romantik

Die 17-jährige neuseeländische Sängerin Lorde gibt in der Berliner C-Halle ein beeindruckendes Konzert - und trägt dabei interessante Science-Fiction-Hosen.

Zwei Dinge sind es, die als Erstes auffallen: Zunächst einmal der Kronleuchter, der weit oben unterm Dach der C-Halle funkelt. Der passt wahnsinnig gut. Nicht nur, weil ein ähnliches Modell sicher auch bei der ein oder anderen Zuschauerin im Teenagerzimmer hängt. Sondern vor allem, weil er perfekt die Romantik spiegelt, die den Abend durchströmt. Keine kitschige, sondern eine skurrile, liebenswerte. Die zweite Sache, die sofort ins Auge springt, ist Lordes Hose. Diese Hose ist riesengroß, sitzt auf der Taille und erinnert an jene, die Theodore Twombly in Spike Jonze’ Science-Fiction-Liebesfilm „Her“ trägt. Auch das ist spannend, denn wenn eines im Verlauf der nächsten 70 Minuten klar wird, dann ist es Folgendes: Die Lieder, die Lorde singt, haben mit der Gegenwart nichts zu tun. Sie klingen aber auch nicht verkrampft nach morgen und erst recht nicht nach der Vergangenheit. Es sind Popsongs, die neben unserem Zeitstrahl stattfinden.

Die 17-jährige Ella Marija Lani Yelich-O’Connor, die von ihrem im vergangenen Herbst erschienenen Debütalbum „Pure Heroine“ über 1,5 Millionen Exemplare verkaufte, betritt die Bühne um 20.59 Uhr. Die Neuseeländerin schlurft zum Mikro wie eine Schülerin, die vom Mathelehrer zur Kurvendiskussion an die Tafel gerufen wird. Das ist ein Trick, denn es folgt eine souveräne Wucht: Nach fünf, sechs Sekunden erhebt Lorde die Stimme und füllt den Raum sofort bis in den hintersten Winkel: „Glory And Gore“ heißt der Eröffnungssong. Erst nach einer Weile steigt ihre Band mit ein, versteckt hinter einem Vorhang. Der fällt anschließend, und man sieht: Da stehen zwei Kerle, so bewegungslos wie Musiker eben sein können: einer am Schlagzeug, und einer an Keyboard und Computer. Lorde macht mit diesem Setting klar: Ihr Pop ist einer, der mit seinen großen Melodiebögen alle im Raum vereint – nachzuhören in Hits wie „Royals“ oder „Tennis Court“. Ihr Pop ist aber auch einer, der Beats weglässt, Geschwindigkeiten verändert, Einbahnstraßen in Gegenrichtung durchfährt. Oft fühlt man sich dabei an die modernistischen R-’n’-B-Exkurse von James Blake oder Sohn erinnert. Auch, wenn sie covert, meidet Lorde den Mainstream. Sie spielt den bleichen Dramatiker Son Lux nach, und das immens verzweifelte „Swingin’ Party“ von den großen Replacements.

Dass sich diese Musik dennoch sofort erschließt, liegt an Lordes Stimme, sicher eine der besten in der gegenwärtigen Unterhaltungsmusik. Sie klingt zärtelnd, bedrohlich, zurückhaltend, frech. Sie schwillt an und ab wie ein Fluss. Manchmal muss man ganz kurz an Tori Amos oder die längst vergessene Martika denken. Schon im nächsten Moment klingt Lorde wieder völlig anders und man wundert sich, wie man eben auf die Idee kam, sie mit irgendjemandem vergleichen zu wollen. Am Ende fällt Konfetti vom Himmel, und Lorde trägt über ihrer Zukunftshose einen goldenen Mantel. Den hat sie verdient. Eine 17-Jährige rettet die Popmusik. Wahnsinn.

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