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Rushdie stellt sein Buch "Joseph Anton" vor: Freier Vogel

Wider die Idealisierung, Ikonisierung und Dämonisierung: Salman Rushdie stellte in Berlin seine Autobiografie "Joseph Anton" vor.

„Es ist noch nicht vorbei“, sagt Random-House-Verlagsleiter Klaus Eck bei der Begrüßung, da vor ihm im Bertelsmann-Haus Unter den Linden Salman Rushdie sitzt, um seine Autobiografie „Joseph Anton“ vorzustellen. Eck meint damit die Bedrohung durch islamische Fundmentalisten, der sich Rushdie über zwanzig Jahre nach Khomeinis Fatwa weiterhin ausgesetzt sieht. Trotzdem ist das Sicherheitsaufgebot für den britischen Schriftsteller an diesem Montagvormittag ein dezentes. Polizei ist Unter den Linden nicht zu sehen, am Eingang wird nicht groß kontrolliert, und auch die Leibwächter fallen kaum auf, als Rushdie von den vielen Kameras ins Visier genommen wird: auf der Treppe, vor dem Büchertisch, auf seinem Weg in den Konferenzsaal, in dem er Fragen des Moderators Frank Schirrmacher und der anwesenden Medienvertreter beantworten will.

Salman Rushdie macht einen entspannten, ausgeruhten Eindruck und beantwortet alle Fragen freundlich und ausführlich, ohne dem, was in seinem Buch steht, wirklich Neues hinzufügen zu können oder zu wollen. Dass die Fatwa gegen ihn kein isoliertes Ereignis gewesen sei, sagt er etwa, weshalb er in „Joseph Anton“ auch mehrmals Hitchcocks Film „Die Vögel“ als Metapher eingesetzt habe. Oder dass der damalige Außenminister der Bundesrepublik, Klaus Kinkel, die guten Beziehungen zum Iran nicht durch auffällige Solidaritätsadressen an ihn gefährden wollte und auch Dänemark sich zunächst stärker um die eigenen Fetakäse-Exporte sorgte. Oder dass es eben ein Unterschied sei, ob man Menschen oder Ideen bekämpfe – und gerade seine Generation eigentlich ganz anderes auf ihrem Masterplan stehen hatte als ausgerechnet einen Kampf der Religionen.

Bemerkenswert ist es aber doch, als er erklärt, wie schwer es gewesen sei, mal abgesehen von seinen komplett veränderten Lebensumständen, sich gegen die „Neuerfindung“ seiner Person zu wehren, gegen die idealisierte, ikonisierte genauso wie gegen die dämonisierte Version von „Salman Rushdie“. Diese Versionen galt es zu zerstören, deshalb das Buch. Tatsächlich legt er darin seine Schwächen, Enttäuschungen, Irrwege und Eitelkeiten genauso offen, wie er seinen Kampf um die persönliche Freiheit und um die Kunst- und Meinungsfreiheit ausführlichst beschreibt. Dass er am Ende der Veranstaltung sich dagegen wehrt, als „Freiheitsstatue“ verehrt zu werden, wie Schirrmacher das andeutet, versteht sich bei solchen Ausführungen von selbst. Diese Abwehr hat jedoch was Routiniertes, mit solchen Zuschreibungen kann Salman Rushdie gut umgehen.

Sorgen sollte er sich womöglich mehr darum machen, dass „Joseph Anton“ jetzt häufig als sein „bestes Buch“ seit langem bezeichnet wird, als „brillant“ geradezu. Das bedeutet, dass sein Romanwerk seit der Fatwa, Romane wie „Der Boden unter ihren Füßen“, „Wut“ oder „Shalimar, der Narr“, gegen seine – ja in jedem Fall lesenswerte – Autobiografie stark abfallen würde, das Fiktive gegen das real Bezeugte. Auch das muss man als Folge der Fatwa bezeichnen. Gerrit Bartels

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