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Wassily Polenows "Moskauer Gartenhof" (1902).

© Staatliches Russisches Museum

Russische Malerei in Málaga: Auch Bilder machen Urlaub

Das spanische Málaga will sich mit Zweigstellen berühmter internationaler Museen einen Namen machen. An der Costa del Sol zeigt das Staatliche Russische Museum St. Petersburg jetzt Landschaftsmalerei aus Zaren- und Sowjetzeit.

Gewiss wird die Costa del Sol nicht wegen kultureller Sehenswürdigkeiten aufgesucht. Ihr Name verrät’s: Es geht um Sonnenschein und Strand, für die Urlaubsbewohner der Bettentürme von Torremolinos ebenso wie die der Luxusvillen von Marbella. Die zuständige Provinzhauptstadt dieses Abschnitts der spanischen Mittelmeerküste ist Málaga, der Mehrzahl der Sonnensucher wohl nur durch ihren Flughafen bekannt. Das zu ändern, ist das Ziel des seit 15 Jahren amtierenden Bürgermeisters Francisco de la Torre Prados. Er setzt, den in Spaniens Kommunen angebeteten Bilbao-Effekt im Sinn, auf Kultur als Magneten.

Málaga bietet zur Abwechslung mittlerweile – nach eigener Aussage – 34 Museen. Immerhin darf die Stadt stolz auf ihren größten Sohn sein, auf Pablo Picasso, der zwar mit 19 Jahren letztmalig in der seinerzeit von heftigen Krisen geschüttelten Hafenstadt weilte, mit dessen musealem Geburtshaus jedoch Kunstfreunde en masse anzulocken sind. Der Bilbao-Effekt meint jedoch etwas anderes: nämlich die Einrichtung von Filialen namhafter Museumsgiganten.

Das hat De la Torre gleich doppelt geschafft. Am Kreuzfahrthafen hat das Pariser Centre Pompidou eine Zweigstelle eröffnet, von außen lediglich an einem luftigen Kubus aus bunten Streifen zu erkennen, den der französische Nationalkünstler Daniel Buren in bewährter Weise gestaltet hat. Unterirdisch breiten sich bemerkenswert große Hallen um einen Innenhof aus, die Innenseite des von ferne sichtbaren Kubus. Eher durchwachsen ist, was das Stammhaus herüberbrachte. Alles ist auf Gegenwartskunst ausgerichtet, der als Quasivorläufer Beispiele vor allem des in Paris reich vorhandenen Surrealismus beigegeben sind.

Zweigstellen vom Centre Pompidou und dem Russischen Museum St. Petersburg

Das Haus versteht sich als „Laboratorium“, es gibt Film und Musik; ein getreues Spiegelbild des Stammhauses. Ortsspezifischer als das Centre Pompidou Málaga ist das zweite Franchise-Unternehmen. In einer schmucken, ehemaligen Tabakfabrik des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat das Staatliche Russische Museum St. Petersburg eine Zweigstelle eingerichtet. Sie dürfte sich zuallererst an die starke russische Ferienkolonie an der Küste wenden. Das Russische Museum mit seinen unfasslichen 315000 Kunstobjekten könnte das weitläufige Gebäude der Tabacalera jahrzehntelang bespielen, ohne sich zu wiederholen.

Seit Reisen in die Russische Föderation im Zuge wechselseitiger Sanktionen umständlicher und die nötigen Visa richtig teuer geworden sind, bietet sich der Málagaableger für Westeuropäer sogar als eigenes Reiseziel an. Denn wer kennt schon die russische und sowjetische Landschaftsmalerei, die die Museumskuratoren Jewgenia Petrowa und Joseph Kiblitsky unter dem Titel „Die vier Jahreszeiten“ zusammengestellt haben?

Herrliche Landschaftsgemälde des 19. Jahrhunderts

Es ist eine Ausstellung so recht für die russische Seele. Kunsthistorische Kriterien eher hintangestellt, haben sich die Kuratoren für eine Bebilderung eben der vier Jahreszeiten entschieden, mit Gemälden des späten 19. Jahrhunderts ebenso wie solchen des Sozialistischen Realismus in seiner Spätform der „bleiernen Jahre“ unter Breschnew. Das ist schon eine wunderliche Zusammenstellung. Allerdings entspricht sie dem Selbstbild der Putin-Herrschaft, die sich unverfroren als direkte historische Fortsetzung von Zaren- wie Sowjetregime ausgibt.

Damit sollen die herrlichen Landschaftsgemälde des späten 19. Jahrhunderts mitnichten abgewertet sein, die den großen Reiz dieser ganzjährig gezeigten Ausstellung ausmachen. Im Gegenteil: Eine unverstelltere Auffassung von Landschaft als bei heute erneut verehrten und auf dem Kunstmarkt mit Höchstwerten bedachten Meistern wie Iwan Schischkin (1832-1898) oder Walentin Serow (1865-1911) lässt sich gar nicht denken. Man kann nicht umhin, an die Literatur dieses Goldenen Zeitalters zu denken, an Tschechow oder Gogol. Es ist nicht die Projektion innerer Zustände wie in der deutschen Romantik eines Runge oder Friedrich, es ist vielmehr ein ungetrübtes Einssein. Diese Bäume, diese Wiesen und Teiche „sind“. Erst bei dem großartigen Isaak Lewitan (1860-1900) tritt das distanzierende Element einer subjektiven Form- und Farbgebung hinzu.

Keine Auseinandersetzung mit politischen Bedingungen von Kunst

Mit Alexander Deineka (1899-1969) ist ein Haupt des Soz-Realismus dabei, einer der wenigen, die figurative Malerei ohne akademischen Kitsch auszuüben verstanden. Die nachstalinistische Kunst ist, nun ja, bemüht; zwar ohne das Heldenpathos der dunkelsten Jahre, doch auch ohne innere Verbindung zur Landschaft, die seit Sowjetzeiten als bloßes Produktionsmittel ausgebeutet wird.

Eine merkwürdige Ausstellung, so, als ob es eine Auseinandersetzung mit den politischen Bedingungen von Kunst nie gegeben hätte. Und dennoch – sie macht mit Urbildern bekannt, die bis in die Szenen der Berliner Schaubühne („Sommergäste“) oder der Komischen Oper („Jewgeni Onegin“) nachklingen.

Málaga, Colección del Museo Ruso, Tabacalera, bis 29. Januar 2017

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