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Ein Mann der Gefühle. Ryley Walker singt und spricht über das, was ihn im Innern bewegt.

© imago

Ryley Walker in Berlin: Der Grübelmeister

Ryley Walker ist einer der innovativsten Singer-Songwriter. Und leidet an Depressionen. Im Roten Salon spielt er ein wunderschönes und intimes Konzert.

Ein Stuhl, ein Musiker und eine Akustikgitarre – gibt es etwas Langweiligeres im 21. Jahrhundert?

Nicht, wenn der Musiker Ryley Walker heißt. Der 30-jährige Amerikaner, der auf seinen fünf Soloalben Folk, Jazz und Postrock ineinanderfließen ließ, stellte am Montag im Roten Salon der Volksbühne erneut unter Beweis, dass er zu den innovativsten Singer-Songwritern der Gegenwart zählt.

Der intime Rahmen – rund 100 Gäste, Theatervorhang, schummriges Rotlicht – kommt Walkers melancholischen Akustik-Grübeleien sehr zugute.

Über weite Strecken versinkt er in instrumentale Innenwelten, mal lieblich, mal dunkel, immer jedoch von untergründiger Notwendigkeit.

Die Fragilität von Walkers Gesang verrät, wie stark der Musiker nach wie vor unter seiner Depression leidet.

Walker spricht von seinen Drogenproblemen

Zwischen den Songs plaudert Walker mit dem Publikum jedoch erstaunlich gelöst über seinen ersten Berlin-Auftritt im Monarch („Überall konnte man rauchen – toll!“), seine Liebe für Amon Düül II und Peter Brötzmann.

Optisch hat Walker gar nichts mehr gemein mit dem pastoralen Folkie, der 2015 mit „Primrose Green“ seinen Durchbruch feierte: Glattrasiert, kurze Haare, Brille, Baseball-Cap.

Seine letzte Deutschland-Tour war 2019 abgesagt worden. Der Grund: „Ich hatte ein ziemlich übles Drogenproblem – jetzt geht’s mir viel besser“, sagt Walker grinsend.

Ganz offen erzählt er, wie er in München Ärger mit der Polizei bekam, weil er Kokain und Heroin dabei hatte: „Ich musste 6000 Euro Strafe zahlen.“

Kein Konzert zum Zurücklehnen

Der Kontrast zwischen dem lockeren und dem introvertierten Walker ist seltsam, macht das Konzert aber nicht schlechter. Schließt man die Augen, meint man streckenweise, zwei Gitarren zu hören, wie einst bei den feinverzahnten Duetts zwischen Bert Jansch und John Renbourn von den Folkjazz-Pionieren The Pentangle.

Doch es ist immer nur Walker, dessen Fingerpicking den Saiten hochkomplexe Klanggeflechte entlockt, die das Fehlen einer Band vergessen machen.

Es ist kein Konzert zum Zurücklehnen, sondern ein fast schon unheimliches Rendezvous mit einem Mann, der seine existenziellen Wunden in fantastische Songs zu übersetzen weiß.

Und eine Lektion darüber, welche Macht ein Musiker und eine Akustikgitarre auch im 21. Jahrhundert noch besitzen.

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