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Kultur: Sag’s dem Automaten

WETTBEWERB „I’m a Cyborg, but that’s okay“ von Park Chan-wook

Genug Blut. Park Chan-wook befreit sich von seiner Rache-Trilogie (zuletzt: „Sympathy for Lady Vengeance“) mit der heiteren Romanze „I’m a Cyborg, but that’s okay“. Gewaltveredelung kann mittlerweile jeder. Die wahre Herausforderung liegt im Liebesfilm. Park wählte dafür den passenden Ort: eine Nervenklinik. Denn ist es mit der Liebe nicht dasselbe wie mit der Schizophrenie – dass man gar nicht geheilt, sondern erkannt werden will?

Im Unterschied zu anderen Filmen vom Irrsinn ist diese Anstalt weder Gefängnis noch Metapher, sondern eine einladende Herberge. Die Doktoren sind anwesend, als freundliche Zuschauer. Helle Flure füllen sich mit lebhaften Choreografien vorbeihuschender Verrücktheiten. „Ich bin kein Psycho“, sagt Young-goon (Lim Soo- jung), die eben eingewiesen wurde, weil sie sich in eine Steckdose einstöpselte. „Ich bin ein Cyborg.“ Kerzengerade sitzt sie am Mittagstisch und schiebt die Zunge heraus, um eine 9-Volt-Batterie anzuzapfen. Doch Young-goon fehlt die Betriebsanleitung. Zunächst müssen Todsünden der kybernetischen Lebensform überwunden werden: Sympathie, Tagträumerei und Schuldgefühle.

Il-Soon, ein Insasse mit gezwirbeltem Haargeweih und Pingpong-Talent (Jung Ji-hoon), der früh von seiner Mutter verlassen wurde, belauscht ihre nächtlichen Plaudereien mit dem Getränkeautomaten. Er ist kleptoman und fürchtet außerdem, dass er sich eines Tages in einem winzigen Punkt verflüchtigen könnte. Young-goon bittet ihn darum, dass er ihr heimlich das Mitgefühl entwende – was zum nächsten Dilemma führt. Dankbarkeit ist nämlich auch nicht erlaubt.

Die Flucht junger Frauen in den eigenen Kopf treibt momentan offenbar die Filmemacher an: mit Terry Gilliams „Tideland“ und Guillermo del Toros „Pan’s Labyrinth“ sind zwei weitere sehr eigenwillige Filme dieser Art im Umlauf. Wie diese macht Park sich die Perspektive der Delirierenden zu eigen – in einer sonderbaren Verdrehung der romantischen Teeniekomödie und mit erfindungsreichen Bilden, elegantem Schnitt, großartiger Musik und entzückenden kleinen Momenten wie einen endlosen Kuss auf zischenden Düsen. Soo-jung und Ji-hoon (besser bekannt als Popstar „Rain“) müssen nicht mehr sein als niedlich und das fällt ihnen nicht schwer. Alles wäre gut - käme noch Parks charakteristische Präzision im Filmaufbau dazu. „Cyborg“ ist weniger Handlung als Filmgedicht, und seinem flow muss man sich ausliefern, ohne den Halt narrativer Logik und dramaturgischer Orientierungspunkte, an die man sich im Kino gewöhnt hat. Doch gerade das Schrullige verlangt nach Genauigkeit. Poesie erst recht. „Cyborg“ aber wirkt unkonzentriert, wie eine Improvisation. Park versuchte erstmals ohne rigide Storyboards auszukommen. Dem Film hat das nicht gut getan.

So ungewohnt die hellfreundliche Farbmischung in Parks Gesamtwerk auch sein mag, einige seiner Themen – Isolation und Nichtmitteilbarkeit – blitzen auch in „Cyborg“ wieder auf. Il-Soon rettet Young-goon, die – so viel sei verraten – wohl doch kein Cyborg ist, nicht mit Therapie, sondern durch Teilhabe: Er erfindet das „Reis-Megatron“ zur Umwandlung von Kohlenhydraten in Wechselstrom, und als er ihr den Wandler einsetzt, pflanzt er ihr buchstäblich auch das Bild der eigenen Mutter ins Herz. Irre oder nicht: Wenn man liebt, ist es nicht genug, den anderen anzunehmen, wie er ist. Man muss sich auch dessen Weltentwurf zu eigen machen.

Heute 12 und 21 Uhr (Urania), 18. 2., 16.30 Uhr (Berlinale Palast )

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