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Lagebesprechung. Die Gattin des Verteidigungsministers bei der Truppe.

© Reuters

Kultur: Schatz, wir fahren nach Afghanistan!

Manöver an der Medienfront: Wie die Guttenbergs eine deutsche Kriegsweihnacht inszenieren

Der Inszenierung kann niemand entgehen, selbst Gysi und Gabriel gehören dazu, allerdings in Nebenrollen. Im Grunde ist Deutschland ein verklemmtes Land, wenn es um Glamour und Gewehre geht. Nun also auch bei den Guttenbergs. Bis auf wenige Ausnahmen ist die Medienresonanz verhalten bis verhämend und verheerend, der Familienausflug an die Front kam in der Heimat zwar ganz groß raus, aber nicht so richtig gut an. Die Opposition zetert, noch unentschlossen, ob harte Empörung (Gysi) oder weiche Zoten (Gabriel) angebracht sind; aber auch Politikberater unterschiedlichster Parteipräferenz wackeln weise mit dem Kopf: Zuviel des Guten, heißt es beinahe unisono, das werde der ungeheuren und bisher scheinbar unbeugbaren Popularität Guttenbergs schaden. Aber warum ist das so? JFK und Jackie, Barack und Michelle Obama, die gelten doch auch hierzulande eher als bewundernswert, obwohl ihre Auftritte bis ins Detail durchinszeniert waren und sind. Aber bei den Guttenbergs, die so amerikanisch daherkommen, dass selbst die Amerikaner neidisch werden könnten, da laufen die Sauertöpfe über.

Nur die Haus- und Hofpostille der Freifrau von und zu Guttenberg, geborene von Bismarck-Schönhausen, die „Bild“-Zeitung, feiert den Auftritt der Ministergattin als toll und mutig. Wie sie da im bunten Karohemd mit der Truppe in der Feldkantine tapfer ihre Suppe auslöffelt, wie sie sich, in hellen Wildleder-Ugg-Boots mit Fellfütterung, von einem Uniformierten den Lagebericht erstatten lässt, wie sie sich treusorgend nach dem werten Befinden der Soldatinnen erkundigt („das können Frauen besser“, sagt sie), das hält der Kolumnist des Blattes für „großartig“. Und da hat er ja auch Recht, auf gewisse Art und Weise. Der Truppenbesuch ist jedenfalls großartig genug, um die gesamte Öffentlichkeit von ein paar Nebensächlichkeiten abzulenken, wie etwa die umstrittene Pädophilenhatz Stephanies im Trash-TV, den Spendennebel über ihrem Kinderschutzverein, die Anti-Porno-Attacke auf Beinahe-Oma Madonna, die Schlägereien in der Bismarckschen Verwandtschaft - und, last but not least, auch die Lage in Afghanistan. Die ist nicht gut, wie der am Montag veröffentlichte, aber von Stephanies Modeschmuckgeklimper weitgehend übertönte „Fortschrittsbericht“ der Bundesregierung zeigt.

Aber so denken die Vons und Zus wahrscheinlich nicht. Sie zeigen jedenfalls eine frische Adelsnormalität, garniert mit kleinen Streicheleinheiten auf die Partnerwangen vor Kameras und Kameraden, demonstrieren locker ihre absolute Unabhängigkeit von allen, die ihnen nicht wohl gesonnen sein könnten. Jeder Anflug von Zweifel, sollte es den denn geben, wird vorsorglich weggestrahlt, gerne auch in der zwischenzeitlich angelegten Splitterschutzweste.

Was könnte Stephanie aber auch anderes tun? Eine eigene Karriere hat sie der Kinder wegen erstmal zurückgestellt. Der ehrenamtliche Einsatz für „Innocence in Danger“ lastet sie nicht aus. Ihr Buch ist gerade erst raus. Das nächste AC/DC-Konzert nicht in Sicht. Ein Unternehmen gründen? Sie hätte bestimmt Erfolg. Aber um welchen Preis? Früher oder später brächte das auch wieder nur Ärger, wegen der Politik.

Die Opposition hofft einstweilen vergeblich, dass die Guttenbergs auf ihrer Ken- und Barbie-Soap ausrutschen. Die Soldaten werden missbraucht? Die Soldaten sind begeistert! Sie sehen jedenfalls so aus. Oder lassen sie sich nur nicht anmerken, dass sie eigentlich etwas anderes denken, etwas anderes fühlen? Bei der Lage? Stephanie ist zwar keine Marlene Dietrich oder Marilyn Monroe, sie ist auch nicht Jessica Simpson oder gar Scarlett Johansson, die alle ihren Truppen eingeheizt haben. Aber die Bundeswehr scheint schon glücklich zu sein, wenn Stephanie „als Frau und Mutter“, wie sie sagt, im Schlepptau des außerordentlich beliebten K.T. anrückt und mal nach dem Rechten schaut. Dort, in Afghanistan, lacht auch keiner spöttisch, wenn die Guttenbergs sagen, dieser Besuch kurz vor Weihnachten sei für sie „eine Frage des Herzens“, und sie wollten „als Bürger danke“ sagen. Die Frage der Glaubwürdigkeit stellt sich dort offenbar nicht. Das hat, unabhängig vor der Wirkung der Guttenbergs, auch einen naheliegenden Grund: Die Soldaten haben zu recht das Gefühl, in Deutschland verdrängt, wenn nicht vergessen zu werden, das ganze Afghanistan ist den meisten Menschen einfach nur lästig.

Am Donnerstag aber werden wahrscheinlich Millionen ihren Fernseher einschalten, um zu sehen, was der Propagandamoderator Johannes B. Kerner im deutschen Lager mit dem Verteidigungsminister zu besprechen hatte. Für Kerner, der ja ansonsten mit seinem Sat-1-Geplapper quotenmäßig eher vor Stalingrad liegt, ist das ein echter Überraschungsangriff mit Wunderwaffe. Statt Studio ein Zelt, statt Busladungen voller Frührentner aus Recklinghausen auf der Zuschauertribüne echte Soldaten im Tarnanzug als Kulisse, im Hintergrund rollt schweres Material durch den Staub, im Vordergrund zwei lässige Herren, der Minister und sein Moderator, ja, so lässt sich Deutschland eine Kriegsweihnacht gerne gefallen. Fehlt nur noch, dass Tom Cruise als Top Gun salutiert und Florian Henckel von Donnersmarck Regieanweisungen gibt. Es wird dann die zweite mediale Angriffswelle in Deutschland anbranden, mit Vor- und Nachbesprechung vier Tage im Zeichen der Guttenbergs. Falls die Kanzlerin vorgehabt haben sollte, wie einst Bush mit dem Truthahn ihre Soldaten mit einer Weihnachtsgans zu überraschen, so müsste sie diese jetzt wohl schon vorher spektakulär auf der Flucht erschießen, um auch nur in die Nähe der Aufmerksamkeit zu gelangen, die Guttenberg so langfristig gepachtet zu haben scheint wie andere ihre Grundstücke oder die Wahrheit.

Und bei dem ganzen Bohei, dieser komplexen Show, geht völlig unter, dass die Guttenbergs, modern gewandet, aber traditionsbewusst, das Verteidigungsministerium zu einer ganz neuen Art von Familienministerium gemacht haben. Nicht nur er ist Minister, nein, sie sind es, beide, selbsternannt, Karl-Theodor und Stephanie, die alles teilen, auch das Amt. Und morgen fahren wir mal nach Afghanistan, Schatz! Ja, das tut uns beiden gut.

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