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Kultur: Schöner hassen

Gib mir meinen Zorn zurück: Metallica in der Wuhlheide

KULTURNACHRICHTEN

Das Pergamonmuseum schließt an diesem Dienstag für zwei Wochen seine Pforten. Gravierende Mängel an den Lichtdecken der Ausstellungsräume machen nach Museumsangaben bis zum 24. Juni den Einbau von Gerüsttürmen notwendig. Tsp

Das Jüdische Museum verlängert seine Ausstellung „Dem Deutschen Volke“ um einen Monat bis 15. Juli. Die Ausstellung schildert die Geschichte der Berliner Bronzegießerfamilie Loevy, von der auch die Widmungsinschrift am Reichstag stammt. Sie wurde am 21. März eröffnet und von über 11000 Menschen besucht. Öffnungszeiten: taglich 10 bis 20, montags bis 22 Uhr. Tsp

Es darf wieder gewütet werden: In der amerikanischen Populärkultur scheint sich derzeit eine Rückbesinnung auf die reinigende Kraft des Zornes anzudeuten. Im Kino demonstriert Jack Nicholson zurzeit als Held der Psycho-Komödie „Wutprobe“, wie man ein Übermaß an aufgestauter Aggression abbaut, indem man einfach mal richtig die Sau rauslässt. Nach dem Motto „Genug ist genug!" wird hier der befreiende Rundumschlag als therapeutische Notwendigkeit verkauft – und so mancher Kritiker witterte in dieser Art von „Anger Management“ sogar Schützenhilfe für die US-amerikanische Kriegspolitik.

Das neue Album von Metallica dagegen verankert seine Rechtfertigung des Zornes gleich im Sakralen: „Saint Anger“ heißt die Platte, und mit durchaus heiligem Ernst wird in den elf Stücken auf die Instrumente eingeprügelt, wie man es von Metallica in dieser Form lange nicht gehört hat. Allerdings, betont Sänger James Hetfield gerne in Interviews, dominiert auch bei „Saint Anger“ eher der therapeutische Aspekt. Die Band hatte wegen andauernder Querelen und Hetfields Alkoholabhängigkeit kurz vor der Auflösung gestanden, erst einem Gruppentherapeuten gelang es, die Musiker wieder zusammenzuschweißen – eine merkwürdige Vorstellung, wie da vier beinharte Metal-Heroen händchenhaltend am Therapie-Tisch gesessen haben mögen. Das Resultat: Seit der innere Frieden wiederhergestellt ist, treten Metallica nach außen hin mit um so größerer Aggression auf – ohne jedoch die therapeutische Wirkung aus dem Blick zu verlieren: „I want my anger to be healthy / I need to set my anger free“, singt James Hetfield im Titelstück „Saint Anger“.

Trotz neuem Bassisten (Robert Trujillo) klingt die Band aus Kalifornien auch beim ausverkauften Konzert in der Parkbühne in der Wuhlheide wieder wie die ganz alten Metallica: laut, hart, schnell und vor allem wütend. Acht- bis zehnminütige Stücke mit halsbrecherischen Tempo-Wechseln, stroboskopartige Gewaltriffs, Double-Bassdrum-Geprügel – so mancher Zuschauer fühlt sich in die Achzigerjahre zurückversetzt, als Metallica noch eine unter jenen zahllosen Bands waren, die mit fingerflinken E-Gitarren-Orgien, rhytmisch geschütteltem Haar und totenkopflastiger Airbrush-Ikonographie das Heavy-Metal-Genre aus der Taufe hoben. Erst als beim Konzert die Anfangsakkorde von „Nothing Else Matters“ erklingen und für ein paar Minuten Ruhe einkehrt, hat man Gelegenheit, noch einmal über die Trendwenden im Wirken von Metallica nachzudenken.

In den letzten Jahren war der Band das Harte-Jungs-Image mehr und mehr entglitten, eine Entwicklung, die 1991 mit dem „Black Album“ begann. Darauf war mit „Nothing Else Matters“ zum ersten Mal eine richtige Ballade enthalten, die umgehend zum Kuschelrock-Klassiker avancierte – und zum Favoriten aller „Gitarrentester“, jener Spezies von Menschen, die in Gitarrenläden Kaufinteresse heucheln, in Wirklichkeit aber nur angeben wollen. „Nothing Else Matters“ war nämlich noch leichter zu spielen als der bisherige Gitarrentester-Favorit „Smoke on the Water“.

So gewannen Metallica zwar neue Hörerkreise und verkauften Millionen von Platten, wurden aber von eingefleischten Hard- Rockern immer weniger ernst genommen. Den letzten Kredit verspielten sie mit dem Album „S&M“, auf dem sie 1999 ihre größten Hits mit einem Symphonieorchester einspielten. In Musikerkreisen wurden Metallica nun eher als florierendes Wirtschaftsunternehmen betrachtet, und als solches gebärden sie sich bis heute. Denn auch die neuerliche Trendwende muss man wohl nach den Diversifizierungsversuchen der Neunzigerjahre vor allem als Rückzug aufs Kerngeschäft verstehen: die Wut.

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