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Kultur: Schöner Schein - Der Fotograf feiert seinen 60. Geburtstag

Der Politiker greift gerne zum Tier, will er sich als Mensch präsentieren. So auch Helmut Kohl auf einem Foto seines Leibfotografen Konrad R.

Der Politiker greift gerne zum Tier, will er sich als Mensch präsentieren. So auch Helmut Kohl auf einem Foto seines Leibfotografen Konrad R. Müller. Aber es ist nicht Kohl, der Mensch, sondern Kohl, der Kanzler, der da ein possierliches Kätzchen in seinem mächtigen Griff nimmt. Hier ist ein zärtlicher Mensch, sagt uns das Foto. Es lässt einen winzigen privaten Blick auf die für Kohl so typische Verbindung zweier Eigenschaften zu: der überbordenden Sentimentalität wie seiner physisch bedrohlichen Anmutung.

Müller fotografiert selten Menschen. Vergleiche mit berühmten Vorgängern sind allesamt schief, und das sagt eine Menge aus über diesen "Kanzlerfotografen", der mit einem unterbelichteten Adenauer seinen ersten großen Schnapp-Schuss landete und danach alle Kanzler der Bonner Republik mit seiner Rollei festhielt. Er selber vergleicht sich gerne mit Erich Salomon, dem legendären Fotografen, der in den zwanziger Jahren mit seinen unter großen Mühen nur erhaschten Politikerporträts Furore machte. Während Salomon sich seine meist exklusiven Fotos regelrecht erschleichen und erkämpfen musste, wird Müller zur Fotosession geladen, sei es in die Weinstube Kohls, sei es in das Landhaus Mitterrands.

Auch mit solch famosen Fotografen wie August Sander oder gar Hugo Erfurth - beide auf sehr eigene Art fotografische Genremaler und Zeichner des Besonderen im Allgemeinen - lässt sich Müller nicht vergleichen. Der Mensch in Adenauer, Kreisky, Kohl oder Gorbatschow, die Bruchstelle zwischen öffentlichem Amt und subjektiver Ausfüllung, ist selten die Sache Müllers. Alle erwarten von ihm die bella figura, die schönstmögliche Perspektive und den schönstmöglichen Oberflächenglanz. Wie sehr Konrad "Rufus" Müller diese Kunst beherrscht, das offenbaren gerade seine Porträts von Helmut Kohl.

Sein abgründiges Doppelleben als Kanzler der Einheit wie als Gebieter über die schwarzen Kassen seiner Partei, deutet sich in keinem Moment an. Müller will nicht aufklären, er verklärt bewusst - und ist somit der ideale Politikerporträtist. Der schöne Schein hat es ihm angetan, sein monumentales Menschendesign überstrahlt das Subjekt. Der Fotograf macht den Politikern den Hof. Und so erscheinen alle Porträtierten als jener würdevolle "Dr. von Staat", wie Thomas Mann die vor Würde berstenden Amtsträger des Staates einmal bezeichnet hat. Heute wird Konrad R. Müller 60 Jahre alt.

Rüdiger Scheidges

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