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Zeitlos schaurig. Damien Hirsts Formaldehyd-Zebra „The Incredible Journey“ von 2008. Der Kreis namens „Har Megiddo“ besteht aus Fliegen und Rosinen. Foto: dpa / ©VG Bild-Kunst 2010

© DAVIDS

Kultur: Sezier’ das Tier

Krisenfest: Damien Hirst lädt in der Galerie Haunch of Venison zum Memento mori

Bigger than life, lautet die Devise von Damien Hirst. Das begreifen selbst Autofahrer, die auf der Heidestraße gen Hauptbahnhof an der Galerie Haunch of Venison vorbeibrausen. Dort steht auf dem Bürgersteig ein 6,60 Meter großer Torso mit farbig dargestellten Innereien, wie man ihn aus dem Biologieunterricht kennt – Geschlecht, Darmgeschlinge, Herz werden gnadenlos gezeigt. Der britische Skandalkünstler hält sich mit romantischem Kleinkram nicht auf. Tatsachen werden knallhart vorgeführt: Operationsbesteck wird im gigantischen verspiegelten Edelstahlschrank präsentiert, eine ganze Armada von blank geputzten Knochensägen, Skalpellen, Zangen, Krebszellen in tausendfacher Vergrößerung als Inkjet auf die Leinwand gebracht.

Und doch wirken diese Arbeiten wie von einem sentimentalen Kauz. Damien Hirst ist der Spezialist für Memento mori der gröberen Art. Die Finanzkrise, bei der er wie kaum ein anderer Federn ließ, seinen Mitarbeiterstab radikal zusammenstreichen musste und demütig wieder zu malen begann, hat ihn Bescheidenheit gelehrt? Wer das glaubt, der irrt. Als Rampensau der britischen Sensation-Künstler ist Hirst zum Weitermachen verdammt. „The Battle between Good and Evil“ hat er seine Installation aus einem schwarzen und weißen Gummiball genannt, die durch ein Gebläse in der Luft gehalten werden. Mal stürzt der eine, mal der andere ab und wird von einem Galeriemitarbeiter wieder in Position gebracht. Welch ein rührend-schlichtes Bild für die Schlechtigkeiten der Welt. Die Arbeit entstand 2007, ein Jahr bevor die Lehman-Bank Konkurs anmeldete und Hirst zeitgleich sein eigenes Werk verauktionierte. Und fortan ging’s bergab.

Auch die Ausstellung „Have You Ever Really Looked at the Sun?“ versucht eine Balance herzustellen: zwischen Superstar Damien Hirst und Michael Joo, der hierzulande kaum bekannt ist. Beide verbindet seit ihrer ersten Begegnung 1991 in Köln eine Freundschaft. Und wo Hirst ein Zebra in Formaldehyd steckt, da lässt Joo das Streifentier als „Rosa Rosinante“ in Bronze nachgießen und grob vernieten. Das passt. Gemeinsam ist ihnen ein Interesse für Naturwissenschaft, die nüchterne Darstellung des Lebens, hinter der sich die große Sehnsucht verbirgt. Auch Michael Joo versteht es zu klotzen. So lässt er einen riesigen Eichenstamm zersägen und setzt die Einzelteile, von Stahlstangen auseinander gehalten, wieder zusammen. Seine Hommage an Martin Kippenberger, den er ebenfalls Anfang der neunziger Jahre in Köln kennenlernte, lässt allerdings frösteln. Der als gläserne Figur dargestellte Künstlerfreund steht auf einem Kühlaggregat. Und das Hirschgeweih hinter seinem Haupt ähnelt einem Heiligenschein. Nicola Kuhn

Haunch of Venison, Heidestr. 46, bis 14. 8.; Di.–Sa. 11–18 Uhr.

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