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Der Geiger Joshua Bell, geboren 1967 in Indiana

© Shervin Lainez

Joshua Bell und das DSO: Singen, flirten, zaubern

Ein Star, nahbar und uneitel: Der Geiger Joshua Bell begeistert beim Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters in der Philharmonie.

Was für ein Bogenstrich: eindringlich und verzehrend, poetisch und ausdrucksvoll. Joshua Bell verschenkt keinen Takt von Camille Saint-Saëns’ 3. Violinkonzert, verrät keine Note ans Pauschale, geht mit jedem Ton in die Vollen. Und zieht das Publikum so vom ersten Augenblick an, als seine Geige über den grummelnden Liegetönen der Streicher einsetzt, in den Bann.

Bell ist Starsolist beim Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters in der Philharmonie. Ja, ein Star ist er, aber einer, bei dem die Berühmtheit fest gegründet ist im Können. Und der nicht entrückt wirkt, vielmehr ehrlich und nahbar, uneitel und mit 51 immer noch verblüffend jungenhaft. Betörende Kantabilität gewinnt seine Geige in den lyrischen Passagen des zweiten Satzes, und auch im stürmischen Finale, das von einem dem spanischen Fandango abgeguckten Thema geprägt ist, verliert der Klang nichts an Substanz.

Auf dem Programm stehen an diesem Abend Stücke, in denen folkloristische Tänze ihren Weg in die Kunstmusik gefunden haben. Zum Beispiel in Ravels „Tzigane“: aberwitzige technische Schwierigkeiten für die Geige, komprimiert auf 15 Minuten, Doppelgriffe, Pizzicati, Flageolett, alles im Turbo-Wechsel. Ravel hat eine sorgfältige Simulation verfertigt dessen, was man vor 100 Jahren „Zigeunermusik“ nannte. Nach wenigen Sekunden ein kleines Missgeschick: Bells Schulterstütze sitzt nicht, er muss unterbrechen, nachjustieren, reicht dazu Dirigent Christian Macelaru erst den Bogen – und dann die Stradivari. Ob er die auch noch haben möchte? Wunderbarer angelsächsischer Humor, der eine peinliche Situation sofort entschärft.

Kein Feuer der Leidenschaft

„Tzigane“ gelingt Bell dann mit Bravour, vor allem im ersten Drittel, wo der Solist völlig alleine spielt, als sei's eine Partita von Bach. Das Farbenspiel, das er mit minimalen Druckverlagerungen hervorzaubert, bleibt lange im Gedächtnis.

Anders als dann die zweite Konzerthälfte. Macelaru, der im Herbst 2019 Chef beim WDR Sinfonieorchester wird, steht zum dritten Mal am Pult des DSO. Dezidiert, eindeutig ist seine Gestik, er hat seine Augen überall, ist ein Kümmerer – und doch fehlt etwas. Es ist das Feuer der Leidenschaft, das Macelaru nicht so recht entfachen kann. Bartóks „Tanzsuite“ gerät eher spröde, und Strauss’ „Rosenkavalier-Suite“ von 1945, die in berauschender, sanft modern gebrochener Walzernostalgie schwelgt und eigentlich abheben, in höhere Klangsphären entschweben müsste, bleibt trotz üppigem Streicherstrom und sensiblen Dynamikabstufungen im Orchester erdverhaftet. Ein nüchterner Ausklang.

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