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Das Arditti Quartett: Rald Ehlers, Lucas Fels, Ashot Sarkissjan und Irvine Arditti (v.l.)

© Astrid Karger

Flutschende Bögen und Power-Pizzicati: Das Arditti-Quartett feiert sein 50-jähriges Jubiläum

Seit einem halben Jahrhundert ist das Arditti-Quartett verlässlicher Interpret neuer und neuester Kammermusik. Jetzt hat es das Jubiläum im Pierre Boulez Saal gefeiert.

Zu Beginn ein Rückblick: Das Arditti-Quartett feiert sein 50-jähriges Bestehen im Boulez Saal mit dem Streichquartett Nr. 1 von Jonathan Harvey, das 1977 entstand. Ein langgezogener, liegender Klang, der aus der Stille kommt, Obertöne auf der leeren D-Saite, dann die erste, zarte Melodie, flüchtig nur, sie schnalzt von Stimme zu Stimme.

Kurze, heftige Aufstriche mit dem Bogen, klatschende Power-Pizzicati, trubelige Klangereignisse, die sich im Volumen nach oben schaukeln und sich auch in den letzten Takten nicht mehr beruhigen.

Harvey schrieb das Stück (und mehrere andere) damals eigens für das Quartett, das erst wenige Jahre zuvor gegründet worden war, mit dem britischen Geiger Irvine Arditti als Zentralfigur. Bei wechselnden Besetzungen spielt Arditti auch nach einem halben Jahrhundert immer noch die erste Geige.

Ungezählt sind die Verdienste seines Quartetts bei der Interpretation und überhaupt erst Bekannt-Machung zeitgenössischer Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, viele große Namen wie György Ligeti, John Cage, Pierre Boulez oder Wolfgang Rihm haben Stücke für die Formation komponiert, die seit rund 20 Jahren neben dem Gründer aus Ashot Sarkissjan (2. Violine), Ralf Ehlers (Bratsche) und Lucas Fels (Cello) besteht.

Zwei Uraufführungen weisen in die Zukunft

Irvine Arditti sagt: „Nur weil es ein Jubiläumsjahr ist, bedeutet das noch lange keinen Schlussstrich.“ Und so ist dieses Konzert auch zukunftsweisend, mit zwei Uraufführungen. Cathy Milikens „In Speach“ trägt einen programmatischen Titel, die Musiker äußern Worte, Laute, Zitate aus dem Gedicht „Octopus Rehearsal“ von Matthew McDonald.

Ironische Anspielung auf Goethes Definition des Streichquartetts als „Unterhaltung vier vernünftiger Leute“? Ein wirkliches Gespräch entsteht natürlich nicht, niemand antwortet einander, man kann nicht verstehen, was gesagt wird. Dafür Bögen, die auf den Saiten nach oben flutschen, was einen sirenenhaften Klang ergibt, und viel Ausatmen, Pusten, Luft, quasi als Vorstufen der Sprache.

Toshio Hosokawa arbeitet in seinem neuen Klavierquintett „Oreksis“ weniger mit musikalischen Einzelereignissen als mit der Fülle des Klangs: ein dynamisches An- und Abschwellen, ein Amalgam west- und östlicher Klangtraditionen, vielleicht in Imitation der japanischen Mundorgel Shō, einem Instrument, für das Hosokawa viel komponiert hat. Dazu der tupfende Anschlag von Tomoki Kitamura am Flügel, dessen Part fast vollständig auf einer einzigen Figur, Abfolge einer kurzen und langen Note, aufgebaut ist.

Die Schönheit des Strichs zelebrieren die vier Musiker auch im letzten Stück, Harrison Birtwistles „Tree of Strings“ (2007), das die puritanische Atmosphäre auf der schottischen Isle of Raasay („Insel der Rehe“) einfängt, wo Birtwistle aufgewachsen ist. Nach und nach verlassen alle vier Musiker ihre Plätze, spielen von anderen Positionen aus, was ein ganz neues Raum-Klangerlebnis ermöglicht.

Lucas Fels‘ Cello prägt das Stück mit Pizzicati wie Donnerschlägen, schließlich ist es auch die einzige Stimme, die übrigbleibt, alleine, zornig, aufgewühlt. Jubelnder Applaus eines ziemlich jungen Publikums.

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