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Kultur: So schwarz wie die Nacht

wandert in die Kulturwüste Wedding Ein Stadtteil, der ja „im Kommen“ sein soll, ist der Wedding. Einstmals Wohnquartier des klassenbewussten Proletariats, hat der Bezirk harte Jahre hinter sich.

wandert in die Kulturwüste Wedding Ein Stadtteil, der ja „im Kommen“ sein soll, ist der Wedding. Einstmals Wohnquartier des klassenbewussten Proletariats, hat der Bezirk harte Jahre hinter sich. Sogar dort wird heute CDU gewählt, wenn auch nicht immer in nüchternem Zustand. Die Narben der Geschichte sind allerorten unübersehbar: Die Architektursünden des sozialen Wohnungsbaus wurden schamlos ausgelebt, die Verbunkerung des Milieus regide durchgesetzt. So galt in den vergangenen Jahrzehnten der Wedding pauschal als Kulturwüste. Traditionelle Quellen von Frohsinn und Gemütlichkeit waren da die Zapfhähne, die zwischen Rehbergen und Gesundbrunnen sprudelten und auf so traditionelle Namen wie „Zum Korken“ hören.

Ortsfremde gingen früher nur in den Wedding, wenn sie Autoersatzteile suchten (die ihnen mal gehört hatten), und blieben exakt so lange, wie man in der Müllerhalle einen „Strammen Max“ verputzt. Doch nun regt sich auch hier die Off-Kultur, dieses Stimmungsbarometer kommender Gentrifizierung. Ein Geheimtipp: die Theater-Sitcom „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“, die kürzlich ihre zweite Staffel begann. Darin fühlt man sich nun schon von den „Prenzelwichsern“ invasioniert. Erst vergangene Woche stellten sich beim „Wedding Day“ auf dem Gelände des Fernsehsenders „Deutsche Welle“ lokale Stars wie der türkische Sänger Tarkan vor. Heute (16.9.) lädt wieder einmal das legendäre Holz und Farben auf zwei Etagen zu Neo-Weddinger Kultur (Prinzenallee 58). Am Mischpult wird Frau Puschel stehen, die als D-Jane trotz eines eher obskuren Musikmixes als unbestrittener Star im Soldiner Kiez gilt.

Ihre Musik nennt die für ihre gelinde gesagt merkwürdige Gaderobe bekannte Künstlerin treffend Puschelkrock, und vielleicht wird hier im kommenden Ausgehbezirk die Musik der Zukunft entwickelt. Bei einer Gruppenvernissage gibt es Kunst vom Leopoldplatz, der Eintritt kostet sozialverträglich einen Euro. Man sollte sich diese Chance nicht entgehen lassen. Denn wenn in ein paar Jahren die Porsches auf der Müllerstraße parken, zugereiste Neuberliner ihre Gucci-Klamotten über die Seestraße spazieren tragen und man sich die Mieten am Humboldthain kaum noch leisten kann, dann wird man stolz sagen, während die Umzugskartons in den Kleinlaster gewuchtet werden: Wenígstens bin ich dabei gewesen, als der Wedding entdeckt wurde.

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