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Sofia Portanet bei ihrem Auftritt in Berlin.

© Nadine Lange

Sofia Portanet live im Lido: Rote Rosen für den freien Geist

Beim Abschlusskonzert ihrer ersten Tour mischte die Berliner Sängerin Sofia Portanet New-Wave-Düsternis mit Deutschpop-Freundlichkeit – und einem Knef-Cover.

Neuköllner Kneipentoiletten können unverhofft poetisch sein. Diese Erfahrung machte Sofia Portanet, als sie eines Nachts auf einer von Stickern übersäten WC-Wand einige Verse las, die sie so beeindruckten, dass sie den Verfasser ausfindig machte. Lukas Matteo Hofmann hatte glücklicherweise seinen Namen dazugeschrieben.

Die beiden trafen sich, er las ihr Gedicht um Gedicht vor, bis sie Stopp sagte und – einen Text gefunden hatte, den sie singen wollte. So entstand der Song „Waage“, wie Sofia Portanet auf der Bühne des Lido in Kreuzberg erklärt, bevor sie ihn zusammen mit ihrer vierköpfigen Band spielt.

Ihre Faszination für den Text mag sich anhand von Zeilen wie „Ausgeglichen will ich sein/ Steuernd steh’n auf sicherem Stein/ Und ich erkenn’ die Frau im Mann“ nicht ganz erschließen, doch entfaltet das Stück einen mitreißenden Schwung und Portanets Stimme strebt eindrucksvoll gen Himmel.

Dass die 1989 in Kiel geborene und in Paris aufgewachsene Sängerin als Jugendliche im Kinderchor der dortigen Nationaloper sang, kann man sich gut vorstellen. Mühelos springt sie durch die Oktaven, bleibt auch in der Höhe noch druckvoll. Leider ist die Soundmischung zu Beginn des Abends etwas verwaschen, man versteht nur wenig von dem, was sie zum Besten gibt.

Deutlicher hörbar sind die zahlreichen Ansagen der Sängerin, die seit 13 Jahren in Berlin wohnt. Auf dem Abschlusskonzert ihrer ersten Tour ist sie offenbar in Plauderlaune – verständlich, denn schließlich musste sie mehr als zwei Jahre darauf warten, ihr im ersten Corona-Sommer veröffentlichtes Debütalbum „Freier Geist“ endlich live zu präsentieren.

Mit dem Titelstück habe alles begonnen, vor allem das Deutsch-Singen, erklärt sie. Und als die Band loslegt mit diesem zwischen New Wave und NDW oszillierenden Stück, lässt sich dieser Schlüsselmoment ansatzweise nachfühlen. Der verhallte Klang, das Drängen und die Dringlichkeit ergeben einen ins Tanzbein kickenden Sog. Die Älteren im gut besuchten Saal dürften sich wohlig an die achtziger Jahre erinnern.

Sängerin Sofia Portanet als Himmelsbotin.
Sängerin Sofia Portanet als Himmelsbotin.

© Christoph Voy

Dominiert auf dem Album eine geheimnisvolle Düsternis, stellt sich auf der Bühne trotz gelegentlichen Trockeneisnebel-Einsatzes eine deutlich lichtere Stimmung ein. Mehr Rosenstolz als Siouxsie and the Banshees. Nach einer knappen halben Stunden wird es mit der Midtempo-Ballade „Ringe“ erstmals etwas ruhiger und Sofia Portanet lässt ihre Dramaqualitäten aufblitzen. „Ich such’ auf dunklen Seiten/ In langen fremden Zeilen/ Nach Worten, die mich wiedererkenn“, singt sie und bringt zum Ausdruck, wie wichtig ihr Gedichte, Lieder, Texte anderer Künstler*innen sind.

In ihren Song „Menschen und Mächte“ hat sie dann auch gleich das Rilke-Gedicht „Du Dunkelheit“ eingebaut. Besonders packend wird es an diesem Abend allerdings immer, wenn Portanet nicht auf Deutsch singt. Etwa bei dem französischen Chanson „Rancine“, bei dem man merkt, dass Portanet in Paris auch Édith Piaf gehört hat, oder beim englischen „Planet Mars“, das zunächst an Ideal erinnert und im Refrain wie eine überdrehte Hommage an die „Arie der Königin der Nacht“ klingt. Fulminant, aber leider schon das letzte Stück des Hauptsets.

Bei den Zugaben wagt sich Portanet – eine Live-Premiere – an einen deutschen Klassiker: Hildegard Knefs „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Zu einer zurückhaltenden Gitarrenbegleitung gelingt es Portanet jedoch nicht, die trotzig-tragischen Tiefen des Stücks auszuloten. Dass sie anschließend Rosen an die Fans verteilt, reißt das nicht mehr raus. Gut, dass noch ein weiterer Song auf dem Programm steht: Das gegen Sexismus gerichtete „Art Deco“ singt Portanet auf Französisch, die Band wirft sich noch mal in ihren zackigen Power-Modus, das Publikum kommt in Bewegung – ein feines Finale.

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