zum Hauptinhalt
Mina (Maryam Moghadam) fordert Gerechtigkeit für ihren unschuldig hingerichteten Mann.

© Amin Jafari

Sommer-Berlinale 2021: Iranisches Kino zwischen Todesstrafe und Zensur

Die Dramen „Ballad Of A White Cow“ und "District Terminal" setzen sich kritisch mit dem Regime im Iran auseinander. In ihrem Land sind sie daher nicht zu sehen.

Filmemachen ist im Iran ein existenzieller Beruf. Mohammad Rasoulof, der Regisseur des letztjährigen Berlinale-Gewinners „Doch das Böse gibt es nicht“, wurde in seiner Heimat unter anderem wegen „Propaganda gegen die iranische Regierung“ verurteilt. Antreten musste er die Haftstrafe aufgrund der Pandemie bis heute nicht, er ist zum Warten verdammt. In diesem Stand-by-Modus hat er auch den diesjährigen Wettbewerb verfolgt.

Als Mitglied der Jury musste er die Filme zu Hause sehen und sich mit seinen Kolleg:innen per Videoschalte austauschen. Auch über den iranischen Beitrag „Ballad Of A White Cow“.

Wie Rasoulofs Bären-Gewinner setzt sich das Drama mit der Todesstrafe im Iran auseinander, die dort laut Amnesty International häufiger verhängt wird als in jedem anderen Land der Welt. Rasoulof setzte sogar eine Hinrichtung in Szene. In „Ballad Of A White Cow“ von Behtash Sanaeeha und Maryam Moghadam stehen hingegen die Folgen für die Beteiligten im Mittelpunkt.

Ein Jahr nach Vollstreckung der Strafe wird die Witwe Mina (gespielt von der Regisseurin) von den Behörden einbestellt. Ihr Mann sei zu Unrecht wegen Mordes hingerichtet worden, erklärt man ihr, es tue ihnen leid. Doch Mina reicht eine Entschuldigung nicht, sie will, dass die Richter offiziell ihren Irrtum eingestehen.

Die Last des Verlustes und der Schuld

In Moghadams verzweifeltem Blick wächst der Trotz, gleichzeitig bemüht sie sich um ein bisschen Normalität für ihre taubstumme Tochter (Avin Purraoufi). Da tritt Reza (Alireza Sanifar) in Minas Leben. Der Unbekannte behauptet, ein Freund ihres Mannes gewesen zu sein. Sie nimmt seine Zuwendungen an – nichts ahnend, dass er einer der Richter ist, die die Todesstrafe gegen ihren Mann verhängt haben.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Ballad Of A White Cow“ macht spürbar, wie auf dem emotionalen Brachland zwischen den Figuren Zuneigung keimt, konzentriert erzählen Sanaeeha und Moghadam von der Last des Verlustes und der Schuld. So unmissverständlich, wie sie die Todesstrafe kritisieren, verwundert es nicht, dass „Ballad Of A White Cow“ an den Behörden vorbei nach Berlin gelangte.

[Alle wichtigen Updates des Tages finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Vorführungen im Iran sind nicht möglich. Dieses Schicksal teilt auch der zweite iranische Film auf der Berlinale. „District Terminal“ von Bardia Yadegari und Ehsan Mirhosseini, in der Reihe Encounters, beschreibt die zersetzende Wirkung der Zensur, als eine Mischung aus Entzugsdrama, Endzeitfantasie und Gesellschaftsparabel.

Ohne private Netzwerke geht iranischen Kinos nichts mehr

Der heroinabhängige Dichter Peyman, ebenfalls gespielt vom Regisseur (Bardia Yadegari), lebt in einer heruntergekommenen Hochhaussiedlung in Teheran. Ein Krieg droht, Umweltverschmutzung und ein Virus haben die Stadt nahezu unbewohnbar gemacht. Die Hoffnungslosigkeit treibt Peymans Freunde nach und nach ins Ausland. Auch er trägt sich mit Fluchtgedanken und schreibt doch wie ein Besessener an seinen Gedichten – die dann von einem Mitarbeiter der Kulturbehörde zerpflückt werden.

„District Terminal“ trägt so viele Ideen und Intentionen in sich, dass er sich daran etwas verhebt. Dennoch staunt man über den Wagemut dieses Debüts und die karge Anmut, die den Bildern vom Leben in den Ruinen innewohnt. Wie „Ballad Of A White Cow“ ist es eine sehr persönliche filmische Vision. Bardia Yadegari spielt nicht nur die Hauptrolle und führt zusammen mit Ehsan Mirhosseini Regie, er hat auch das Drehbuch entwickelt.

Seine Mutter tritt im Film tatsächlich als Mutter Peymans auf; Mirhosseini wiederum konnte seinen Bruder als Co-Produzenten gewinnen. Diese privaten Netzwerke sind für das Filmemachen im Iran in den vergangenen Jahren nötig geworden. Wer einen derart kritischen Film umsetzen will, muss den Bekannten-, Freundes- und Familienkreis mobilisieren. Den Film auf einem internationalen Festival präsentieren zu können, ist damit auch mehr als bloß ein Privileg. Es ist ein politischer Akt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false