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Kultur: Spaßhuber

Blechkonzerte zum Neujahrsbeginn.

Achtung: Schottenwitz! „Wir spielen jetzt Bachs Toccata und Fuge d-Moll für Orgel – ohne Orgel.“ Bob Ross macht weder einen Hehl aus seiner Abstammung (das schottische Kirkcaldy) noch aus seiner Körpergröße (1,58 Meter), baut beides offensiv in seine Moderation ein, flitzt als Rumpelstilzchen im karierten Frack ständig ans Pult, immer unter Dampf. Vor 25 Jahren hat der Hornist der Münchner Philharmoniker das Blechbläserensemble Blechschaden gegründet (und die Domain später für viel Geld einem Schrotthändler abgekauft). Jetzt kamen die Musiker, allesamt Mitglieder des bayrischen Spitzenorchesters, zum traditionellen Neujahrskonzert in die Philharmonie. Die Dramaturgie folgt einem simplen Trick: Aus den Stücken, etwa Pachelbels Kanon D-Dur oder Schuberts Unvollendeter, wird jeweils nur ein einziges Thema angespielt und nach wenigen Takten verjazzt. Was Klangreinheit, Präzision, Flexibilität betrifft, sind die Münchner über alle Zweifel erhaben – Qualitäten, die besonders in Haydns Trompetenkonzert aufleuchten. Etwas angegraut dagegen ihr Humor: sie fotografieren sich selbst, setzen spaßeshalber Ohrenschützer auf, ein Hornist vertreibt den anderen, um unter Buhrufen sein Solo zu beginnen, bei traurigen Stücken wird auch mal geweint. Die Fans lieben’s, und als sich am Ende alles in „Smoke On The Water“ und „YMCA“ auflöst, singt der Saal begeistert mit.

Völlig anders einen Tag später das Ensemble Weltblech (Wortspiele gehören zur Branche) im Kammermusiksaal, das ebenfalls traditionell zu Neujahr nach Berlin kommt. Konzentration statt krachlederner Späße, Verdichtung auf skandinavische Komponisten statt Gemüsegarten auf dem Programmzettel. Moderator Thomas Ratzek (Trompete) ist zwar charmant, will aber gar nicht besonders lustig sein. Dafür erklärt er, wie sich in Rautavaaras „Playground for Angels“ Dur- und Moll-Akkorde überlagern. Unerhört leise und fern klingen Posaunen und Trompeten in diesem Stück. Griegs erste Peer Gynt Suite mag man zwar für die nächsten 50 Jahre nicht mehr hören, aber die Klangnuancen eines reinen Blechbläserensembles (und eines Schlagzeugers) verleihen dem ausgenudelten Werk doch eine neue Qualität. Explizit für Blech geschrieben ist Sibelius’ „Petite Suite“, und das schimmert auch durch in der sanften, entspannten Tongebung, den suggestiven Temposteigerungen und der bezwingenden Eleganz, mit der Weltblech das 18. Jahr seines Bestehens begrüßen. Udo Badelt

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